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Indonesien holt IS-Unterstützer zurück

Das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt hat ein Problem mit wachsendem Islamismus

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

Im August brachte ein Flugzeug 18 Kämpfer und Anhänger des Islamischen Staates (IS) aus dem irakischen Erbil zurück nach Indonesien. Darunter war auch ein 13-Jähriger, der ein Jahr zuvor in einem Propagandavideo für die Terrormiliz aufgefallen war, in dem Kinder mit Gewehren schossen und Pässe verbrannten.

Die Gruppe hatte sich in der umkämpften syrischen Stadt Rakka kurdischen Kämpfern ergeben. Dabei hatte sie angegeben, sich nur vor Bombenangriffen versteckt zu haben. Was sie tatsächlich taten, ist schwer zu recherchieren. »Wie wollen Sie nachprüfen, dass die Leute etwas Illegales getan haben?«, fragt Greg Barton, Terrorexperte der Deakin Universität in Melbourne. Allein der Fakt, dass sie sich in Syrien aufgehalten hätten, sei nach indonesischem Recht noch nicht strafbar. Eine entsprechende Gesetzgebung werde zwar entwickelt. »Der Gesetzesvorschlag soll bis Jahresende eingereicht werden«, sagte Barton, doch das indonesische Parlament sei nicht sehr effizient. Derzeit werden Rückkehrer von den indonesischen Behörden verhört, fügten sich aber danach oftmals schnell wieder in die Gemeinschaft ein. Eine Gefängnisstrafe müssen sie nicht befürchten.

Aus Indonesien, das mit 250 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste muslimische Land der Erde ist, kommt zwar nur eine verhältnismäßig kleine Zahl IS-Kämpfer - Barton spricht von 600 bis 800 -, trotzdem hält der Experte deren Rückführung für riskant. »Wir hatten eine relativ ruhige Periode in den vergangenen Jahren in Indonesien aufgrund dessen, dass es den Terroristen hier an Führungsqualitäten mangelte«, sagte er.

Selbst der Terroranschlag in Jakarta 2016, bei dem acht Menschen ums Leben kamen, sei schlecht organisiert gewesen. Zwischen 2001 und 2004 sei dies völlig anders gewesen: Damals starben bei Anschlägen auf die australische Botschaft in Jakarta, ein Hotel und Nachtklubs auf Bali weit über 200 Menschen. Sollten unter den Rückkehrern »charismatische« Anführer sein, so Barton, könnte Indonesien eine besser organisierte Periode des Terrors bevorstehen. »Vor allem wenn den traumatisierten Kindern nicht geholfen wird, könnten diese zu effektiven Terroristen heranwachsen.«

Gefährlich ist auch, dass die Rückführung der IS-Unterstützer in eine Zeit verstärkter Islamisierung des Landes fällt. Diese fällt dem Beobachter schon dadurch auf, dass inzwischen immer jüngere Mädchen einen Hijab tragen. Offiziell manifestierte sich der Trend im Mai, als ein indonesisches Gericht den bis dahin amtierenden Gouverneur Jakartas wegen Blasphemie zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilte. Das Urteil gegen den Christen bewerteten viele als ein Zeichen der wachsenden Islamisierung des Landes.

Der Experte sieht die Islamisierung in engem Zusammenhang mit dem Populismus in anderen Ländern. »Es ist ein globales Phänomen«, sagte er. »Ich möchte das religiöse Denken beispielsweise mit dem Populismus der AfD in Deutschland vergleichen.« Beide arbeiteten mit der Angst der Menschen, der »Dämonisierung« der anderen.

Indonesien, das neben den Rückkehrern auch mit rund 800 Terroristen zu kämpfen hat, die seit Mitte 2000 wieder aus Gefängnissen entlassen wurden, ist theoretisch ein gefährlicher Nährboden für eine Radikalisierung. Das Wahid-Institut, eine Forschungseinrichtung in der Hauptstadt Jakarta, veröffentlichte vor kurzem beunruhigende Zahlen: Demnach wären 11,5 Millionen Indonesier gefährdet, radikalisiert zu werden und 600 000 würden mit dem kriegerischen Dschihad sympathisieren.

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