Erbe für Leistung

Alfred Nobels private Stiftung eines Wissenschaftspreises fand zahlreiche Nachahmer

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 5 Min.

Das Talent zum Erfinden war Alfred Nobel gleichsam in die Wiege gelegt worden. Der Sohn einer schwedischen Ingenieursfamilie, deren Erfolge bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, wurde am 31. Oktober 1833 in Stockholm geboren. Als er neun Jahre alt war, übersiedelte die Familie nach St. Petersburg, wo der Vater eine Maschinenfabrik betrieb. Nobel erhielt Privatunterricht und machte überdies eine Ausbildung zum Maschinenbauer.

1850 ging er auf Studienreise, die ihn nach Deutschland, Frankreich und in die USA führte. In Paris lernte er den italienischen Chemiker Ascanio Sobrero kennen, der 1847 erstmals Nitroglycerin hergestellt hatte, es wegen seiner Gefährlichkeit aber für nicht anwendbar hielt. 1859 kehrte Nobel nach Schweden zurück und widmete sich der Aufgabe, die enorme Explosivität des hochempfindlichen Nitroglycerins für kontrollierte Sprengungen nutzbar zu machen. Dabei erfand er die sogenannte Initialzündung, bei welcher der Explosivstoff mit Hilfe eines Initialsprengstoffs zur Detonation gebracht wird.

Gleichwohl ereigneten sich bei seinen Experimenten mehrere Unglücke, bei denen unter anderem sein jüngerer Bruder ums Leben kam. 1867 gelang Nobel der Durchbruch. Er entdeckte, dass eine Mischung aus Nitroglycerin und Kieselgur die Sprengkraft des Nitroglycerins nur wenig vermindert, es aber zugleich unempfindlich gegenüber Erschütterungen macht. Das Dynamit war erfunden und Nobel, der über 90 Fabriken in aller Welt gründete, stieg zu einem der reichsten Männer seiner Zeit auf. Sowohl im Berg- und Straßenbau als auch in der Rüstungsindustrie fanden seine Sprengstoffe reißenden Absatz. Insbesondere das von ihm 1887 aus Sprenggelatine entwickelte Ballistit, ein Pulver für Geschütze, das bei der Verbrennung wenig Rauch freisetzt, revolutionierte die Artillerie.

Nobel selbst hegte die Hoffnung, dass eine gewaltige Vernichtungswaffe, »mit der sich zwei gleich starke Armeen gegenseitig in einer Sekunde vernichten können«, die Menschheit künftig abschrecken werde, Krieg zu führen. Zugleich sympathisierte er mit der Friedensbewegung, in der seine ehemalige Privatsekretärin Bertha von Suttner eine führende Rolle spielte. Auf deren persönliche Einladung hin nahm er - allerdings inkognito - 1892 an einem Friedenskongress in Bern teil.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Nobel in seiner Villa in San Remo, wo er das Theaterstück »Nemesis« verfasste, das seine Zeitgenossen für skandalös und blasphemisch hielten. Es wurde erst 2003 veröffentlicht. Am 27. November 1895 unterzeichnete Nobel in Paris sein berühmtes Testament, in dem er die Bildung eines Fonds verfügte, »dessen jährliche Zinsen als Preise denen zuerteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben«. Und zwar auf den Gebieten Physiologie/ Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden. Gewöhnlich heißt es, Nobel habe mit der Preisstiftung sein Gewissen erleichtern wollen, immerhin hatte er durch den Verkauf von Sprengstoffen Millionen verdient. Andererseits war er schon relativ früh zu der Auffassung gelangt, »dass große ererbte Vermögen ein Unglück sind, die das Menschengeschlecht nur in Apathie führen«.

Nobels Beispiel machte Schule. In der Folge stifteten auch andere Privatpersonen finanziell gut ausgestattete Preise, von denen manche unter Wissenschaftlern inzwischen fast so begehrt sind wie das Original. An erster Stelle wäre hier der Albert Lasker Award for Basic Medical Research zu nennen. Verliehen wird der mit 250 000 Dollar dotierte Preis von der Lasker Foundation, einer US-Stiftung, die 1942 von Albert Lasker, einem erfolgreichen Werbeunternehmer, sowie dessen Frau gegründet wurde. Er gilt zusammen mit dem Lasker~DeBakey Clinical Medical Research Award als höchste medizinisch-wissenschaftliche Auszeichnung der USA und wird mitunter als »inoffizieller Nobelpreis« bezeichnet. Tatsächlich erhielten 65 der 157 Laureaten später den »echten« Nobelpreis in der Sparte Medizin, darunter James Watson und Francis Crick, die Entdecker der Doppelhelix-Struktur der DNA. Geehrt mit dem Lasker Award wurde 1960 überdies der deutsche Elektroingenieur Ernst Ruska, dem die Erfindung des Elektronenmikroskops 1986 den Physiknobelpreis einbrachte.

Unter Wissenschaftlern hoch geschätzt ist auch der seit 2004 in Hongkong verliehene Shaw Prize, den manche den »Nobelpreis des Ostens« nennen. Die Laureaten stammen aus drei Sparten: Astronomie, Mathematik, Lebenswissenschaften und Medizin. Gestiftet wurde die mit einer Million Dollar dotierte Auszeichnung von dem 2014 verstorbenen chinesischen Medienunternehmer und Philanthropen Run Run Shaw. Bisher haben zehn Nobelpreisträger auch den Shaw Prize erhalten, darunter waren 2013 die diesjährigen Laureaten für Medizin Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young. Im Jahr 2015 ging der Preis an die US-Physiker Rainer Weiss und Kip Thorne, die für ihre Untersuchungen auf dem Gebiet der Gravitationswellen zusammen mit Barry Barish in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik erhielten.

Wer Überragendes in Wissenschaft oder Kunst geleistet hat, darf seit 1985 auf den Kyoto-Preis hoffen, der an eine Prämie von rund 300 000 Euro geknüpft ist. Er wird von der in Kyoto ansässigen Firma Kyocera verliehen, und zwar in drei Kategorien: Hochtechnologie, Grundlagenforschung, Kunst und Philosophie. Namentlich in Disziplinen, in denen es keinen Nobelpreis gibt (Philosophie, Mathematik, Musik, Theater, Film), zählt der Kyoto-Preis zu den weltweit bedeutendsten Auszeichnungen. Auf der Liste der Laureaten finden sich illustre Namen: Noam Chomsky, Claude Shannon, Jane Goodall, Karl Popper, Roy Lichtenstein, Andrzej Wajda, Pina Bausch, John Neumeier, Jürgen Habermas. 1993 wurde Jack Kilby, der Erfinder des integrierten Schaltkreises mit dem Kyoto-Preis geehrt, im Jahr 2000 erhielt er auch den Nobelpreis für Physik.

Die mit drei Millionen Dollar höchstdotierte Auszeichnung in den Wissenschaften ist der seit 2012 verliehene Breakthrough Prize in Fundamental Physics. Als Stifter fungiert eine gemeinnützige Organisation, die der russische Milliardär Juri Milner gegründet hat. Bekanntester Preisträger ist der britische Physiker Stephen Hawking. 2016 ging die Auszeichnung an die LIGO-Kollaboration für den Nachweis von Gravitationswellen. Für diese messtechnische Glanzleistung wurden, wie oben bereits erwähnt, in diesem Jahr drei der federführenden Physiker des Teams mit dem Nobelpreis geehrt. Martin Koch

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