Riesensauerei im Berliner Speckgürtel

Landkreise leiden unter illegaler Müllabladung im großen Stil

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein riesiger Dreckhaufen liegt an der Landstraße nahe des Bernauer Ortsteils Birkholz. Bauschutt wie Mauerreste, Dachpappe, Dämmmaterial sowie ausrangierte Möbelteile wurden hier, ganz in der Nähe des Berliner Rings, gleich tonnenweise illegal abgeladen. Und dass nicht zum ersten Mal. »Das ist schon der fünfte Riesenhaufen, den wir genau an dieser Stelle finden«, sagt Joachim Hoffmann, Leiter des Bodenschutzamtes im Landkreis Barnim.

Das Problem sei nicht neu, sondern ein Phänomen seit dem vergangenen Jahr. Rings um das Autobahndreieck Barnim wird Bauschutt und Sperrmüll illegal entsorgt. »15 Fälle hatten wir im vergangenen Jahr, in diesem sind es bereits 40«, macht Hoffmann deutlich. Seinen Beobachtungen nach sind die professionellen Müllsünder nachts unterwegs. »Die kommen von der Autobahn und suchen sich eine einsame Landstraße, um den Dreck in Windeseile abzukippen und wieder zu verschwinden.«

Seinen Angaben zufolge haben auch die Landkreise Oberhavel und Märkisch-Oderland in den Gebieten, die an Berlin grenzen, mit diesen Straftaten zu tun. »Bei uns betrifft das den Bereich um Altlandsberg und Werneuchen, immer direkt an abgelegenen Straßen«, bestätigt Thilo Brünn, vom Umweltamt Märkisch-Oderland. Seit Jahresbeginn habe es 25 Fälle gegeben, knapp 300 Kubikmeter Bauschutt und Abrissmüll musste die Kreisverwaltung bisher entsorgen.

Auch im Süden von Oberhavel seien illegale Abfallentsorgungen vor allem gefährlicher Stoffe wie Teer oder Asbest ein Thema, sagt Kreissprecherin Constanze Gatzke. »In diesem Jahr haben wir gegenüber den Vorjahren einen Zuwachs von 20 Prozent. Das ist schon auffällig«, berichtet sie.

Die Vorliebe der Täter für den Speckgürtel lege den Verdacht nahe, dass die Müllsünder aus Berlin kommen, sagt Hoffmann. »Vielleicht gibt es Abrissfirmen, die Kunden suggerieren, den Abfall regulär zu entsorgen und sich dann aber auf diese Weise die Kosten dafür sparen - eine Riesensauerei.« Diesen Verdacht hegt Brünn für Märkisch-Oderland genauso. Allein der aktuelle Müllberg bei Birkholz würde bei ordnungsgemäßer Entsorgung rund 1800 Euro kosten, schätzt Jürgen Rohrbeck von der Barnimer Dienstleistungsgesellschaft, der den riesigen Dreckhaufen mit dem Bagger aufnimmt. »Der Abfall muss sortiert werden, da ist viel Sondermüll dabei«, sagt er. Rund 100 000 Euro hat den Landkreis allein bereits in diesem Jahr die Beräumung illegalen Mülls gekostet.

Genau dieser Umstand macht den Birkholzer Ortsvorsteher Dieter Geldschläger besonders wütend: Die noch unbekannten Täter verursachen enorme Aufwendungen. »Das sind unsere Steuergelder, die für andere Dinge eigentlich dringender brauchen«, sagt er.

Der Landkreis Barnim reagiert ab Oktober mit verstärkten Müllstreifen. »Wir kooperieren mit den betroffenen Ordnungsämtern, mit der Polizei, dem Landeskriminalamt, mit Baufirmen und mit Forstarbeitern. Zudem haben wir sämtliche Jäger in der Region um Mithilfe gebeten. Denn die sind meist nachts unterwegs.« Auch die Bevölkerung solle die Augen offen halten.

Dem Ortsvorsteher Geldschläger wurden gerade gelbe Hinweistafeln übergeben, die auf das Problem aufmerksam machen sollen mit Aufschriften wie »Gib uns den Rest! Ab zum Recyclinghof« oder »Bau keinen Mist«. Ab Oktober soll auch die Webseite muellstreife-barnim.de online sein, auf der Hinweise erbeten werden.

»Am besten wäre es, wenn wir die Täter auf frischer Tat ertappen könnten«, meint Hoffmann. Müllsündern drohen Geldstrafen bis zu 50 000 Euro. Doch bislang wurde noch niemand erwischt. Demnächst sollen auch Privatdetektive eingeschaltet werden.

Personal für eine Müllstreife gebe es im Landkreis Märkisch-Oderland nicht, sagt Brünn. Gesetzt werde auf mehr Öffentlichkeitsarbeit, um die Bevölkerung zu sensibilisieren. Verstärkte Aufklärungsarbeit sei auch in Oberhavel geplant, ergänzt Gatzke.

Der Barnimer Bodenschutzamtsleiter Hoffmann will hingegen bei der gezielten Tätersuche nicht locker lassen. »Wir haben schon mehrfach Hinweise auf Verursacher gefunden, so auch in diesem aktuellen Abfallberg«, sagt er und zieht Rechnungen und Briefköpfe aus dem Schutt. Rohrbecker packt deshalb den Müll nicht mehr auf seinen Lkw, sondern in einen mitgebrachten Container. Der soll den Ermittlern von Polizei und Staatsanwaltschaft zur Beweissicherung übergeben werden. dpa

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