Jesiden halten Mahnwache in Potsdam ab
Ein Zeichen für die Humanität: Für den späten Mittwochnachmittag - nach Redaktionsschluss dieser Seite - planten Jesidinnen und Jesiden eine Mahnwache vor der Staatskanzlei in Potsdam abzuhalten. Sie sollte die rot-rote Landesregierung an die Durchsetzung des Landtagsbeschlusses zur Aufnahme schutzbedürftiger jesidischer Frauen und Kinder aus dem Irak in Brandenburg erinnern.
Initiiert wurde die Aktion vom Zentralrat der Jesiden in Deutschland (ZÊD) und dem Menschenrechtszentrum Cottbus, dessen Vorsitzende Sylvia Wähling ans Kabinett appelliert: »Das sollte eine Frage von Humanität, und nicht von deutscher Bürokratie sein.« Hintergrund der Aktion: Der Brandenburger Landtag hat im Dezember 2016 einstimmig beschlossen, ein begrenztes Sonderkontingent für schutzbedürftige Jesidinnen und Jesiden außerhalb des regulären Asylverfahrens zu schaffen.
Ursprünglich hatten CDU und Grüne die Aufnahme von 500 Flüchtlingen beantragt, doch war am Ende keine konkrete Zahl festgelegt worden. So stand der Beschluss im Raum, bis die Regierung am Dienstag die Aufnahme von 40 Schutzbedürftigen bekanntgab. »Das ist immer erfreulich, und jede gerettete Person ist mehr als nichts. Doch bei 500 anzufangen und bei 40 zu landen ist nicht ausreichend«, sagt Wähling.
Die Jesiden sind eine religiöse Minderheit im Nordirak. Als die Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) im August 2014 in die Region Sindjar einfiel, wurden mehrere Tausend Jesidinnen von den Islamisten gefangen genommen, viele vergewaltigt, verkauft, versklavt und zwangsverheiratet. Die autonome kurdische Regionalregierung hat etwa 3000 Jesidinnen von den Islamisten freigekauft, von denen viele nun in unterversorgten Flüchtlingslagern leben und keine adäquate Hilfe zur Bewältigung ihrer Traumata erhalten können. Laut Wähling kommt erschwerend hinzu, dass das Jesidentum ein Kastensystem darstellt, in dem nur innerhalb eines Standes geheiratet wird. Viele der vergewaltigten Frauen werden daher nach ihrer Befreiung von der Gesellschaft verstoßen. »Solche Traumata lassen sich nicht im Flüchtlingslager verarbeiten«, sagt sie. Es bedürfe großer ärztlicher und psychotherapeutischer Unterstützung. Als Leiterin der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus hat sie bereits Erfahrung mit traumatisierten Häftlingen.
Wie viele jesidische Frauen Brandenburg zur Betreuung aufgenommen werden, entscheidet die Landesregierung. Die Mahnwache will dazu animieren, den Parlamentsbeschluss rasch umzusetzen. Baden-Württemberg hat es vorgemacht und zwischen 2015 und 2016 insgesamt 1000 jesidische Frauen und Kinder aufgenommen hat. Schleswig-Holstein und Niedersachsen schlossen sich mit kleineren Kontingenten an.
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