Rhythmusstörungen und Sonnenscheinchen

Regina Stötzel über Biorhythmus, Feierabend, deutsches Kapital und Jamaika

Es ist so weit: Der Biorhythmus von Kleinkindern, Milchkühen und Kuckucksuhren erleidet wieder schweren Schaden durch die Zeitumstellung, und darüber muss einmal mehr diskutiert werden. Dass sich die Menschen aber freiwillig wieder täglich einer Stunde Tageslicht berauben (sieht man einmal von den Hardcore-Frühaufstehern ab), und das für viele auch noch in der wertvollen Zeit nach Feierabend, dürfte dagegen erneut vernachlässigt werden. Wer ohnehin schon eine leichte, vorzeitige Novemberdepression verspürt, hat ab sofort Gelegenheit, diese gründlich zu vertiefen.

Dabei stört allenfalls die Wirtschaft, dieses penetrante Sonnenscheinchen! Der Gute-Laune-Pegel des deutschen Kapitals, auch Geschäftsklimaindex des ifo-Instituts genannt, stieg im Oktober auf ein Allzeithoch von 116,7 Punkten. Auch der DAX, dieser lustige Schlingel, ist mit überschrittenen 13 000 Punkten im noch laufenden Monat so gut drauf wie nie. Eine neue Tausenderstufe zu erreichen, ist mittlerweile ein derartig gewöhnlicher Vorgang, dass er noch nicht einmal mehr als »historisch« bezeichnet wird, wie sonst beinahe alles.

Wer wird da weinen wegen ein paar Air-Berlin-Mitarbeitern, die in diesen Tagen ihre Kündigungen erwarten! Deren Existenz rund ein halbes Jahr länger zu sichern, wäre eben zu teuer gewesen. Man bekommt schließlich nicht alles geschenkt im Leben.

Davon kann die Politik ein Lied singen, die sich derzeit mit Jamaika-Sondierungen abmüht. Auch die Wissenschaft ringt hart um neue bahnbrechende Erkenntnisse. Ansätze sind da: Einer Studie zufolge bekommen Frauen im Durchschnitt weniger Kinder, wenn ihre Mütter oder Schwiegermütter im selben Haushalt leben. Allerdings stehe nicht fest, ob die Großmütter (die dann möglicherweise keine werden) direkt schuld an der geringeren Kinderzahl seien. Auch musste bisher offen bleiben, weshalb andere Studien das Gegenteil ergaben und ob die Generationen aus Armut zusammenleben oder quasi aus Reichtum (Mutter geht arbeiten). Schließlich blieb auch völlig ungeklärt, weshalb sich in den meisten Ländern besonders die Anwesenheit von Schwiegermüttern auf die Gebärunfreudigkeit auswirkt, in Sambia und Brasilien dagegen die der Mütter. Es ist nicht auszuschließen, dass Daten von weiteren 2,5 Millionen verheirateten Frauen aus 14 Staaten analysiert werden müssen.

Ein Durchbruch zeichnet sich dagegen ab in der elementaren Frage: Huhn oder Ei? Das ist nämlich völlig Wurst, wenn Hühner künftig Eier legen, die wirksame Krebsmedikamente enthalten. Und ein neuer Supercomputer kann zwar jedes Go-Spiel gewinnen, wird aber vorläufig sicher nicht auf die Idee kommen, die Uhren freiwillig zurückzudrehen. KI, bitte übernehmen Sie!

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