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Zwischen Krise und Aufbruch

Nach dem Aus für die Kreisreform beginnt die Suche nach Konsequenzen und Alternativen

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Potsdam am Tag danach: Gerade erst hat sich die rot-rote Regierungskoalition von ihrem ambitioniertesten aber auch umstrittensten Projekt, der Kreisgebietsreform, verabschiedet. Inzwischen taucht hier und da das Wort von der Regierungskrise auf. Doch die Landesverwaltung demonstriert »Dienst nach Fahrplan«.

Viele Mitarbeiter von Ministerien und Behörden weilen in den Herbstferien. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dagegen ist bereits den zweiten Tag in Folge ins Umland enteilt. Gemeinsam mit Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski (LINKE) nahm er in Premnitz (Havelland) an einer Veranstaltung zum Abschluss der Revitalisierung des Industrieparks teil. Trochowskis Chef, Woidkes Stellvertreter Christian Görke (LINKE), weilte noch im Urlaub.

Regierungssprecher Florian Engels wirkt entspannt: »Von ›Regierungskrise‹ kann keine Rede sein - abgesehen mal von Zeitungsartikeln und Netz«, teilt er dem »nd« mit. »Der Ministerpräsident hat heute und gestern auf seinen Touren in der Prignitz und im Havelland viel Zustimmung bekommen. Eine Bürgerin sprach in Perleberg von ›Zivilcourage‹«. Immerhin räumte er ein, dass ursprünglich geplant gewesen sei, die Entscheidung, die Reform abzusagen, erst am kommenden Montag »nach Einbeziehung aller relevanten Gremien« bekannt zu geben. Niemand hatte es erst aus der Presse erfahren sollen.

Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), dessen Ressort die Neugliederung der Kreise verantwortete, hatte sich am Mittwoch in einer Erklärung hinter die Entscheidung des Ministerpräsidenten gestellt. Zugleich hatte er unterstrichen: »Ich bin nach wie vor von der Notwendigkeit der Reform überzeugt.« Er plädierte dafür, das »Projekt Verwaltungsreform neu aufs Gleis zu setzen«. Die Absage der Reform betrachte er nicht als Niederlage, sonder als Zeichen der Stärke. »Wir werden die Funktionalreform jetzt mit allen Beteiligten neu diskutieren und besprechen, wie es weitergeht«, sagte der Innenminister.

Ministeriumssprecher Lothar Wiegand sagte dem »nd«, man sei im Haus dabei, sich neu zu sortieren, die Fachabteilungen hätten ihre Hausaufgaben zu erledigen. Der Minister selbst habe auch in seiner Zeit als Landrat manchen Sturm bestanden und sei dafür bekannt, auch in schwierigen Situationen nach vorn zu schauen.

Personelle Konsequenzen lehnt der Fraktionschef der LINKEN im Landtag, Ralf Christoffers, nach dem Stopp der Kreisgebietsreform ab. Im rbb-Inforadio sagte er am Donnerstag: »Ein Rücktritt, von wem auch immer, würde uns gar nichts nutzen.«

Für die Zukunft werde aus seiner Sicht die freiwillige Zusammenarbeit zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten vermutlich nicht ausreichen. »Wir werden also in der Perspektive sehen müssen, ob und in welcher Form Zusammenarbeit zwischen Landkreisen und auch kreisfreien Städten Effekte bringen kann. Und das werden nicht nur freiwillige Zusammenschlüsse sein.«

Die SPD-Fraktion will am nächsten Dienstag über Konsequenzen beraten, teilte ein Sprecher mit. Nach dem Rückzug von Generalsekretärin Klara Geywitz wies er Spekulationen über weitere personelle Konsequenzen zurück. »Es gibt keinerlei Personaldebatte in der Fraktion.«

Die SPD-Abgeordnete Kerstin Kircheis sagte, in der Partei schmerze der Rücktritt von Geywitz. »Alle sind ein bisschen geschockt.« Sie gehe davon aus, dass die SPD weiter hinter Dietmar Woidke stehe. Am kommenden Montag will sich der SPD-Landesvorstand treffen. Bis dahin soll ein Nachfolger für Geywitz fest stehen.

Kircheis forderte genügend Zeit. »Wir brauchen keine schnellen Lösungen, sondern gute Lösungen«, sagte sie. Als einziges Mitglied der SPD-Fraktion hatte sie bei einer Probeabstimmung im Oktober gegen die Reform votiert. »Über Gebietsgrenzen nachzudenken, ist derzeit keine Lösung«, sagte sie. Stattdessen könne es Kooperationen der Kommunen oder freiwillige Zusammenschlüsse geben.

Woidke hatte die Reform am Mittwoch gestoppt und so auch die für 15. November geplante Landtagsabstimmung über das Gesetzesvorhaben verhindert. Er hatte dies vor allem auch mit dem großen Widerstand der kommunalen Ebene begründet.

Unterdessen sollen die Landräte in allen Landkreisen wieder normal gewählt werden können. Wegen der Gebietsreform hatte der Landtag eigentlich bereits ein Gesetz beschlossen, wonach mehrere Landratswahlen wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit der Umsetzung der Kreisreform ausgesetzt werden sollten.

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