Noch kein Jeside gerettet

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon fast ein Jahr ist es her, dass der Landtag einhellig beschloss, verfolgte Jesiden aus dem Nordirak in Brandenburg aufzunehmen. Versucht wurde seither einiges, doch praktisch geschehen ist noch nichts. Darum hakte das Parlament am Donnerstag nach. Doch Staatskanzleichef Thomas Kralinski (SPD) hatte betrüblicherweise kaum gute Neuigkeiten. Zunächst sollen nun 40 Frauen und Kinder, die auf der Flucht in Griechenland hängen blieben, nach Brandenburg geholt werden. Danach sollen vielleicht noch 31 Frauen und Kinder aus dem Nordirak nachkommen.

Kralinski ahnte, was er sich würde anhören müssen. Er verteidigte die Regierung gegen den Vorwurf der Taten- und Erfolglosigkeit. Ihm sei bewusst, dass die Aufnahme der 40 Jesiden aus Griechenland manchem Abgeordneten nicht weit genug gehe, räumte Kralinski ein. Aber die Landesregierung habe es sich wirklich nicht einfach gemacht und viele Gespräche geführt. Doch weder die Bundesregierung noch irgendein anderes Bundesland seien bereit gewesen, bei der Sache mitzuwirken. Nur Hamburg und Schleswig-Holstein zeigten anfangs Interesse, winkten dann aber doch ab. Die Regierung werde sich jedoch weiter engagieren, versicherte der Staatskanzleichef. »Ich bin mir sicher, dass wir einen gangbaren Weg finden werden.«

Er wolle sich um Sachlichkeit bemühen, versprach der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, konnte und wollte seine Unzufriedenheit aber nicht verbergen. Denn die Regierung habe neun Monate Zeit gehabt und nichts erreicht. »Im Moment sind wir dabei, Jesiden zu retten, die schon gerettet sind«, bemerkte Dombrowski mit Blick auf die 40 Frauen und Kinder in Griechenland. »Brandenburg kann mehr leisten«, betonte er.

Auch der Abgeordneten Andrea Johlige (LINKE) geht alles viel zu langsam. Wo es ums Überleben gehe, müsse ein anderes Tempo angeschlagen werden. »Die Aufnahme ist heute nicht weniger dringend als vor einem Jahr«, mahnte Johlige. Denn obzwar die Terrormiliz IS zurückgedrängt werden konnte, 3200 Jesiden befinden sich noch in ihrer Gewalt, und die politische Lage im Nordirak ist durch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden nicht ruhiger geworden. Zwei Mal besuchte Johlige die Jesiden vor Ort. Sie lernte dort Frauen kennen, die zeitweise vom IS gefangen waren, und sie hielt ein Mädchen im Arm, dass unzählige Male vergewaltigt wurde. Der Landtagsbeschluss habe Hoffnungen geweckt. Doch nun seien die Jesiden enttäuscht, weil sie anscheinend wieder keine Hilfe bekommen. Sie sei aber froh, sagte Johlige, dass nun wenigstens etwas geschehe, und mit 40 Menschen würde Brandenburg das zweitgrößte Aufnahmeprogramm auflegen. Dies wolle sie nicht kleinreden. Baden-Württemberg hatte ein Programm für 1000 Jesiden, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hatten ein gemeinsames Programm für 100 Jesiden.

Der Landtag beschloss erneut. Den Antrag »Worten müssen Taten folgen« hatten SPD, LINKE und Grüne eingebracht. Die CDU machte diesmal nicht mit, weil sie mehr wollte. Seite 11

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