»Bye, bye Mugabe«

Demonstrationen gegen Simbabwes Präsidenten / Abwahl als Parteichef

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.

Die allgegenwärtigen Porträts von Präsident Robert Mugabe, die in Simbabwe in jedem öffentlichen Büro hängen, haben einen neuen Verwendungszweck bekommen. Leicht abgeändert, mit einem durchgestrichenen Kreis über dem Gesicht sind Tausende mit dem Bildnis des Mannes, der das Land seit dem Ende des weißen Rassistenregimes 1980 regiert hat, am Samstag vor das State House gezogen. Die Botschaft war eindeutig: »Resign now« - »Tritt zurück, jetzt« - stand auf Plakaten. Das Militär, das am Mittwoch de facto die Macht übernommen und den Präsidenten unter Hausarrest gestellt hatte, wollte sich mit dem Aufmarsch Legitimation für seinen Putsch verschaffen, den es nicht als Putsch verstanden wissen will. Doch Mugabe, der die Situation mit einem »freiwilligen« Rücktritt entschärfen könnte, verhandelte am Sonntag noch immer mit den Generälen.

Weiter als die Generäle ist die Regierungspartei ZANU-PF. Sie hat Robert Mugabe als Parteichef abgewählt und ihn ultimativ zum Rücktritt vom Präsidentenamt aufgefordert. Sollte Mugabe (93) nicht bis Montagmittag zurücktreten, würden die Abgeordneten der ZANU-PF ihn am Dienstag mit einem Misstrauensvotum ablösen, sagte der führende Parteivertreter Patrick Chinamasa am Sonntag nach Beratungen des erweiterten Parteivorstands in der Hauptstadt Harare.

Zuvor hätte alle zehn Provinzführungen der ZANU-PF Mugabe zum Rücktritt aufgefordert, berichtete die in Harare erscheinende private Tageszeitung News Day am Freitag. Der 93-Jährige sei »zu alt und nicht mehr qualifiziert«, ist den lokalen Führungen der Regierungspartei dem Bericht zufolge nun aufgefallen. Am Sonntag passte sich auch das ZANU-PF-Zentralkomitee den neuen Machtverhältnissen unter der Militärregie an. Der Vorsitzende Obert Mpofu bezeichnete Mugabe schon in seiner Eröffnungsbotschaft als »scheidenden Präsidenten«.

Neuer starker Mann im Staat dürfte dann Emmerson Mnangagwa werden. Der Veteran des Befreiungskampfes war 40 Jahre lang ein enger Vertrauter Mugabes. Vor zwei Wochen entließ ihn der Langzeitstaatschef jedoch aus dem Amt des Vizepräsidenten. Darauf gedrängt hatte Mugabes 41 Jahre jüngere Ehefrau Grace, die sich vor dem ZANU-PF-Parteitag im Dezember in die Poleposition für die Machtübernahme von ihrem greisen Gatten bringen wollte. Mnangagwa floh kurzzeitig nach Südafrika, kehrte aber nach dem Eingreifen des Militärs bereits zurück. Die ZANU-PF-Führung betrachtet seine Entlassung inzwischen als nichtig, weil Mugabe den Schritt nicht mit der Partei abgesprochen hatte.

Verbündete haben der Präsident und seine Frau inzwischen keine mehr. Die Polizei wurde vom Militär entmachtet, Schlüsselfiguren aus der Clique um Grace Mugabe sind mehreren Medienberichten zufolge verhaftet worden. Zu ihnen zählt auch der Generalsekretär der ZANU-PF-Jugendliga, Kudzai Chipanga. Der hatte noch am Dienstag vergangener Woche im Namen seiner Organisation erklärt, die »Revolution und unseren Anführer und Präsidenten zu verteidigen, ist ein Ideal, für das wir leben, und ein Prinzip, für das wir, wenn es sein muss, bereit sind zu sterben.« Tags darauf musste er sich für den Rückgriff auf Nelson Mandelas Verteidigungsrede aus dem Rivonia-Prozess im inzwischen vom Militär besetzten Staatsfernsehen entschuldigen. Er habe »geirrt«, gestand Chipanga das Offensichtliche ein.

An derlei Kapitulationserklärungen denkt Robert Mugabe derweil offenbar noch immer nicht. Am Sonntag traf er sich in seine Villa erneut zu Verhandlungen mit der Armeeführung. Den Militärs ist viel an einem zumindest formal freiwilligen Rücktritt Mugabes gelegen, weil den neuen Machthabern sonst Ärger mit der Staatengemeinschaft des südlichen Afrika droht. Der Sicherheitsausschuss der Southern African Development Community (SADC) unterstrich am Donnerstag an seinem Sitz in Botswanas Hauptstadt Gaborone, dass er einen Militärputsch verurteilen würde. Hinter Mugabe steht der Regionalstaatenbund aber auch nicht, stattdessen forderte er »alle Beteiligten in Simbabwe« auf, »die politischen Herausforderungen mit friedlichen Mitteln zu bewältigen«. Für die dortige Armee bedeutet das: Sie muss es demokratisch aussehen lassen. Aus dem Westen jedenfalls haben die Putschisten keinerlei Einwände zu erwarten. Die USA respektieren plötzlich die »interne simbabwische Politik«. Und der britische Außenminister Boris Johnson frohlockte bereits am Mittwoch, wie »wundervoll« es doch wäre, wenn Simbabwe nun wieder Teil des Commonwealths würde. Schließlich sei »alles, was Großbritannien immer wollte, dass die Simbabwer in der Lage sind, ihre eigene Zukunft in freien und fairen Wahlen zu bestimmen«, erklärte der Repräsentant der ehemaligen Kolonialmacht. 2002 wurde Simbabwe wegen undemokratischer Machenschaften dort suspendiert, 2003 kehrte Mugabe dem Bündnis dann selbst den Rücken. Auch international werden die Karten neu gemischt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal