Status »Queer«: Stand einer weltweiten Bewegung

Ein neuer Band analysiert verschiedene Strategien im Streit um die Rechte von Homosexuellen sowie Inter* und Trans*personen

  • Katja Anton Cronauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieses Jahr wurde endlich auch in Deutschland die Ehe für alle ermöglicht. Und das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die derzeitige Regelung zum Geschlechtseintrag verfassungswidrig ist. Bis Ende 2018 muss der Gesetzgeber entscheiden, ob gar kein Geschlechtseintrag vorgeschrieben oder eine dritte Option geschaffen wird. Allmählich werden also Fortschritte erzielt.

Doch können wir davon ausgehen, dass das so weitergeht? Die queere Bewegung hat auch immer wieder Rückschläge erlitten. In den 1920ern war Berlin so liberal, dass die Stadt Schwule, Lesben und Transgendermenschen aus der ganzen Welt anzog. Dann setzte die Verfolgung durch die Nazis ein, und auch danach wurde Homosexualität lange kriminalisiert, ganz zu schweigen von der bis heute andauernden Pathologisierung von Trans*- und Inter*menschen. Auch in anderen Ländern wechselten Erfolge mit Rückschlägen, wie in der Neuerscheinung »Queer Wars: Erfolge und Bedrohungen einer globalen Bewegung« nachzulesen ist.

Das Buch gibt differenzierte Einblicke in queere Menschenrechte - also Menschenrechte für homo- und bisexuelle Personen sowie Menschen, deren physisches Geschlecht und/oder deren Geschlechtsidentität nicht in die Raster Mann oder Frau passt.

Die Autoren Dennis Altman und Jonathan Symons berichten von Situationen in verschiedenen Ländern, die in den Medien gar nicht oder nur ansatzweise thematisiert werden. Zwar liegt der Fokus des Buches auf Homosexuellenrechten, doch nimmt es auch immer wieder Bezug auf sexuelle Rechte allgemein sowie die Gleichstellung aller Geschlechter.

Die Autoren zeichnen die internationale Bedeutung nach, die Homosexuellenrechte in den letzten Jahrzehnten gewonnen haben. Die Autoren nehmen sich sechs Länderbeispiele vor, anhand derer sie unterschiedliche Wege zu mehr Akzeptanz und mehr Rechten analysieren. Sie betrachten dabei jeweils das Zusammenwirken von Politik, Kultur und Aktivismus.

Ebenso diskutieren sie anhand mehrerer Länder den Gegenschlag, den die queere Bewegung dort erfahren hat. Sei es, dass dieser vom World Congress of Families, (»Weltfamilienkongress«, US-Verband für die internationale Verbreitung christlicher Werte) betrieben wird, der unter anderem mit Dumaabgeordneten enge Bündnisse eingegangen ist, um in Russland eine homosexuellenfeindliche Gesetzgebung voranzutreiben. Oder wie während der Ebolaepidemie 2014 durch religiöse Oberhäupter in Liberia. Diese behaupteten, Ebola sei die Strafe Gottes für die Akzeptanz von Homosexualität, woraufhin homophobe Übergriffe und polizeiliche Repression in mehreren westafrikanischen Ländern zunahmen, selbst in solchen, in denen der queeren Szene ein, wenn auch limitierter, Platz eingeräumt worden war.

Und trotz vieler hart erkämpfter Erfolge werden queere Menschen auch in Deutschland weiterhin diskriminiert und angegriffen. So hat es nicht nur in Berlin in den letzten Jahren immer wieder Übergriffe auf Homosexuelle und Trans*menschen gegeben.

Die Analysen verschiedener Strategien im Kampf um queere Rechte ist sicher nützlich für viele Aktivist*innen. Das Buch eignet sich aber auch - im Gegensatz zu vielen Sachbüchern, von denen die Autor _innen oder herausgebenden Verlage dies behaupten - für Nichtfachleute. Es liest sich flüssig und einfach, ohne flach zu wirken. Zwar gibt es einige wenige Stellen, an denen eine weiterführende Erklärung schön gewesen wäre, dies hindert aber weder den Lesefluss noch das Verständnis. Unbedingt zu empfehlen.

Dennis Altman, Jonathan Symons: Queer Wars. Erfolge und Bedrohungen einer globalen Bewegung. Verlag Klaus Wagenbach, 2017, 160 S., 18,- €.

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