Watschen für Seehofer, Jubel für Söder

CSU-Chef mit bislang schlechtesten Ergebnis wiedergewählt / Söder will absolute Mehrheit bei der Landtagswahl erringen

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Nürnberg. Trotz der historischen Pleite bei der Bundestagswahl hat die CSU ihren Vorsitzenden Horst Seehofer im Amt bestätigt – allerdings mit seinem bislang schlechtesten Ergebnis. Nach der demonstrativen Einigung im erbitterten Machtkampf mit seinem Rivalen Markus Söder erhielt er auf dem Parteitag im Samstag in Nürnberg 83,7 Prozent der Stimmen. Sein bisheriger Tiefpunkt – abgesehen von der Niederlage bei einer Kampfabstimmung gegen Erwin Huber 2007 – waren 87,2 Prozent vor zwei Jahren. Nach den Querelen der vergangenen Wochen hatten viele CSU-Politiker die Messlatte aber nur auf 80 Prozent gelegt.

Seehofer erhielt 664 von 793 gültigen Stimmen. 119 Delegierte stimmten mit Nein, 5 Delegierte votierten für Parteivize Manfred Weber, 4 für Söder, und 1 Stimme gab es für Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Seehofer sagte zu seinem Ergebnis: »Das ist eine gute Grundlage für das, was auf uns wartet in München und Berlin.«

Söder indes wurde am frühen Samstagnachmittag vom Parteitag zum Ministerpräsidenten-Kandidaten gekürt - wie schon von Landtagsfraktion und Parteivorstand. In einer offenen Abstimmung sprach sich bei einzelnen Gegenstimmen eine breite Mehrheit für Söder aus. Er soll bereits Anfang kommenden Jahres Seehofer als Ministerpräsident ablösen. Die Stabübergabe mit der Wahl im Landtag soll im ersten Quartal 2018 sein.

Seehofer sieht in der Kür der Doppelsitze eine Zeitenwende. »Mit dem heutigen Tag läuten wir eine neue Ära in der Christlich-Sozialen Union ein«, sagte er. Die beiden Spitzenämter würden getrennt. »Aber die Aktionseinheit der CSU bleibt.« Seehofer sicherte seinem langjährigen Kontrahenten Söder eine enge Zusammenarbeit zu. Er wolle mithelfen, dass das Landtagswahljahr zu einem großen Erfolg für die CSU werde. »Das werde ich tun, Markus, und darauf kannst du dich verlassen.« Er selbst wolle angesichts der unklaren Lage und der schwierigen Regierungsbildung in Berlin mithelfen, dass die CSU ihrer Verantwortung für Deutschland gerecht werde, versprach Seehofer.

Seehofer lobte seinen Nachfolger ausdrücklich. »Er kann es und er packt es. Das ist Markus Söder«, sagte der 68-Jährige. Söder habe schon in seinen Ministerämtern »eine vorzügliche, bravouröse, fehlerfreie Arbeit abgeliefert für unseren Freistaat Bayern«.

Söder zollte im Gegenzug Seehofer hohen Respekt – für dessen Arbeit für Bayern, dessen Berliner Verhandlungsgeschick und dessen »souveräne Entscheidung« der vergangenen Wochen. Weil die Zeit schwierig sei, müssten »die Stärksten an einem Strang ziehen«.

Seehofer hatte seit 2008 beide CSU-Führungsposten inne, war aber nach der Pleite bei Bundestagswahl mit dem Absturz auf 38,8 Prozent vor knapp drei Monaten intern massiv unter Druck geraten. Nach einem wochenlangen Machtkampf schlug er schließlich Anfang Dezember die Ämtertrennung vor und bot Söder eine gute Zusammenarbeit an.

Söder will absolute Mehrheit bei der Landtagswahl

Söder sprach bereits am Morgen von einer »großen Verantwortung«: »Es geht um ein großes Erbe in schwieriger Zeit.« Er will nun ein Ende der Selbstbeschäftigung und des Streits der vergangenen Wochen. Die Bürger müssten merken, »dass wir nicht nur über uns reden, sondern mehr wieder über sie nachdenken und ihre Probleme«, sagte er.

Der designierte bayerische Ministerpräsident schwor seine Partei nach dem Krisenjahr 2017 auf den Kampf um die Verteidigung der absoluten Mehrheit in Bayern ein. Erstmals seit seiner Nominierung zum Nachfolger Seehofers als Regierungschef nannte Söder eine Fortsetzung der Alleinregierung als Wunschziel: Bayern sei »wie ein großer Baum: Tiefe Wurzeln in der Tradition, aber unsere Äste wachsen nach oben«, sagte Söder am Samstag beim CSU-Parteitag in Nürnberg und fügte hinzu: »Diesen bayerischen Baum hat die CSU gepflanzt. Wir wollen ihn auch weiter pflegen - und am allerliebsten allein. Das ist unser Anspruch.«

Stoiber: Seehofer muss in Berlin bleiben

Auch CSU-Urgestein Edmund Stoiber äußerte sich beim Parteitag zur Entscheidung Horst Seehofers, nicht erneut für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten zu kandidieren. »Er hat die richtigen Entscheidungen getroffen. Er muss in Berlin bleiben. Das ist meine feste Überzeugung, weil wir jetzt in einer schwierigen Situation sind, der Regierungsbildung mit einem schwierigen, angeschlagenen Partner SPD. [...] Und auf der anderen Seite ist es natürlich eine kluge Entscheidung, den Generationswechsel in Bayern vorzunehmen und den Stärksten innerhalb unserer Reihen eben auch zu vertrauen, die neue Aufgabe Ministerpräsident in den nächsten Jahren ausfüllen und prägen zu können. Natürlich braucht es jetzt das Vertrauen der Menschen in Bayern bei den Landtagswahlen im Herbst des nächsten Jahres. Das ist die große Herausforderung«, so der CSU-Ehrenvorsitzende im phoenix-Interview.

Ob eine Doppelspitze funktionieren könne, sei immer situationsbedingt. Stoiber stellte aber heraus: »Ein persönliches Problem darf die notwendige Zusammenarbeit der Stärksten natürlich nicht entscheidend beeinflussen. Es geht um die CSU, es geht um unsere Idee, es geht um die Vorstellung von Staat und Ordnung und Recht und Entwicklung in einer sich überschlagenen Zeit. [...] Das sind doch schwerwiegende Herausforderungen.« Agenturen/nd

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