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»Ich weiß, dass es etwas Außergewöhnliches ist«

Claudia Pechstein im Gespräch über ihre anhaltende Freude am Eisschnelllauf und die Lust, dem Weltverband sportliche Backpfeifen zu verpassen

  • Manfred Hönel
  • Lesedauer: 4 Min.

Welchen Anteil haben Ihre Trainingspartner und Trainer Peter Mueller an den starken Leistungen der vergangenen Wochen?

Ohne meine Männer wären die Resultate der vergangenen Wochen sicher nicht möglich gewesen. Darüber bin ich mir völlig im Klaren. Noch nie in meiner gesamten Karriere hatte ich eine solch starke Trainingsgruppe an meiner Seite. Da ist jedes Training eine Herausforderung. Die Jungs zerren an den Ketten, sorgen dafür, dass ich mich nicht ausruhen kann. So bekomme ich die nötige Tempohärte für die Wettkämpfe. Trainer Peter Mueller sorgt für die richtige Belastung. Er ist ein verrückter Ami, mit dem es nicht immer einfach ist, aber er weiß genau, worauf es ankommt. Er ist Profi durch und durch. Wenn es im Training wehtut, tritt er mir in den Hintern, sodass ich nicht zurückziehe. Aber er passt auch auf, dass wir nicht zu viel tun. Ich bin sehr glücklich darüber, dass mein Lebenspartner Matthias Große mir durch seine finanzielle Unterstützung den Traum von diesem eigenen Team ermöglicht hat. Zudem ist er noch einer der besten Mentaltrainer, den ich mir vorstellen kann - und somit ein weiterer wichtiger Baustein in meinem »Männerteam«. Genau wie Andreas Babbe, der mit seinem Team von F & F Lasertechnik in jahrelanger Forschungsarbeit den Schliff meiner Kufen so perfektioniert hat, dass ich stets mit dem besten Material am Start stehen kann.

Claudia Pechstein

Claudia Pechstein bereitet sich intensiv auf die Olympischen Winterspiele (9.-25. Februar 2018) im südkoreanischen Pyeongchang vor. Nach den Weltcuprennen in Nordamerika und einem Radtrainingslager auf Mallorca dreht die fünfmalige Olympiasiegerin im Eisschnelllauf jetzt mit ihrem »Team Pechstein« bis zum Weltcup ab 17. Januar in Erfurt die Runden. Manfred Hönel sprach für »nd« mit ihr.

Wie werden Sie bei alldem von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft unterstützt?

Der Verband lässt mich mein Ding machen. Das ist die beste Unterstützung, die er mir geben kann. Ein solches Trainingsumfeld wie im »Team Pechstein« wäre innerhalb der DESG nicht machbar. Was aber nicht heißt, dass wir nicht an einem Strang ziehen. Ganz im Gegenteil. In den Trainingslagern des Verbandes konzentrieren wir uns stark auf die Abläufe in der Teamverfolgung. Das zahlt sich schon aus. Im Trio mit Gabi Hirschbichler und Roxanne Dufter haben wir uns für Olympia qualifiziert. Damit sind wir schon mal einen Schritt weiter als vor vier Jahren in Sotschi. Damals mussten wir zuschauen.

Was denken Sie, wenn Sie gegen Kontrahentinnen antreten, die ihre Töchter sein könnten?

Auf dem Eis spielt das keine Rolle. Otto Rehhagel hat einmal gesagt: »Es gibt keine jungen und alten Spieler, sondern nur gute und schlechte.« Das gilt nicht nur für den Fußball. Ich versuche, im Wettkampf die bestmögliche Leistung abzurufen. Wenn mir das gelingt und ich ganz vorne mitmischen kann, dann sage ich mir danach schon: »Hey, cool, die anderen sind so viel jünger als du und trotzdem nicht schneller!« So lange dass so bleibt, werde ich die Lust am Eisschnelllaufen nicht verlieren. Ich gehe in jedes Rennen mit dem Bewusstsein, dass mein letzter Sieg, meine letzte Podestplatzierung bereits hinter mir liegen könnte. Wenn es dann anders kommt, macht mich das stolz und glücklich. Denn ich weiß genau, dass es etwas Außergewöhnliches ist, mit 45 Jahren noch Weltcupsiege feiern zu dürfen.

Sie liefen kürzlich Weltklassezeiten. Besteht in Richtung Olympia nicht die Gefahr, dass Sie zu früh in Form waren und diese nicht halten können?

Ich genieße alles, was passiert, und verschwende keinen Gedanken daran, zu früh zu gut in Form zu sein. Ich habe super trainiert und bin einfach gut drauf. Ich kann ja schlecht zu mir selbst sagen: »Laufe mal ein bisschen langsamer, Olympia ist doch erst im Februar!«

Wie sieht Ihr Programm bis zum Abflug nach Südkorea aus?

Vor den Spielen werde ich auf jeden Fall beim Weltcup Mitte Januar in Erfurt an den Start gehen. Das wird der letzte Härtetest vor Olympia, und ich freue mich schon auf die Rennen vor den heimischen Fans.

Sie haben sich in der Vergangenheit darüber beschwert, dass bei Ihnen sehr häufig Dopingkontrollen durchgeführt werden. Hat sich das normalisiert?

Was heißt schon normal? Was für mich zur Normalität geworden ist, kennen meine Konkurrentinnen nur aus Erzählungen. Ich habe mich damit abgefunden, die weltweit am häufigsten getestete Athletin zu sein. Grundsätzlich ist das auch kein Problem. Ich habe nichts zu verbergen, kann jederzeit getestet werden. Aber im Sinne des Fairplays im Sport fände ich es nur gerecht, wenn diese Testfrequenz auch für alle anderen gelten würde.

Nach Ihrer Dopingsperre sagten Sie auch stets, dass Ihnen der Olympiastart gestohlen worden sei. Ist das noch immer eine zusätzliche Motivation für Sie?

Ja, denn ich werde diese Unrechtssperre niemals akzeptieren. Die Bosse des Eislaufweltverbands ISU waren sich 2009 nicht zu blöde, vor dem eigenen Verbandsgericht vorzutragen, man könne mit 36 Jahren keine Spitzenleistungen mehr bringen, ohne zu dopen. Jetzt bin ich 45 Jahre alt und beweise ein ums andere Mal, dass es doch geht. Und jedesmal aufs Neue fühlt es sich einfach toll an, solche sportlichen Backpfeifen verteilen zu können.

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