Mit Blitz und Donner ins neue Jahr

Sollte bei der großen Silvesterknallerei dennoch was daneben gehen, ist die Feuerwehr einsatzbereit

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

»Drei, zwo, eins ...« Nachdem Landesbranddirektor Wilfried Gräfling eingezählt und sein Mitarbeiter den Auslöser betätigt hat, zischt, wie angekündigt, die Zündschnur an dem Pappröhrchen. Der ohrenbetäubende Knall folgt so unvermittelt, dass die in sicherer Entfernung Wartenden zusammenfahren. Der Böller hat die künstliche Hand, die ihn umschlossen hatte, völlig zerfetzt und drei Meter weg geschleudert. Wenn das eine menschliche Hand gewesen wäre - keine schöne Vorstellung. »Es hätte schlimmste Weichteilverletzungen gegeben, vermutlich wären auch Finger abgerissen worden«, sagt Berlins oberster Feuerwehrmann kaltblütig.

Die Lehrvorführung, der sich Journalisten, wie jedes Jahr vor Silvester, in der Hauptwache der Feuerwehr in Mitte unterzogen haben, diente als drastische Warnung vor den oft unterschätzten Gefahren von nicht genehmigten Feuerwerkskörpern. Solchen, die nicht die hierzulande vorgeschriebenen Registriernummern und CE-Zeichen tragen. Derartige illegale Raketen und Böller, die dennoch in großen Mengen aus den Nachbarstaaten ins Land gebracht werden, obwohl dies sowie ihr Erwerb und ihr Einsatz strafrechtlich verfolgt werden. Richten sie doch jedes Jahr schlimme Schäden an und führen oft zu schweren Verletzungen.

Im vorgeführten Fall handelte es sich um einen illegalen Feuerwerkskörper aus der Asservatenkammer der Polizei, versehen mit polnischen Warnhinweisen, gefüllt mit rund drei Gramm Industriesprengstoff. Gerade Letzteres macht diese »Knaller« zu Sprengkörpern, deren teuflische Wirkung oft noch durch miserable, nicht verlässlich geprüfte Qualität potenziert wird. Offiziell zugelassene Böller ähnlicher Art sind deutlich größer, aber lediglich mit Schwarzpulver (bis zu sechs Gramm) gefüllt. Zwar ist dessen Knall etwas verhaltener, doch sind Hitzeentwicklung und Sprengkraft ungleich geringer - und gerade für Laien sehr viel weniger gefährlich.

Dass der Hauptstadtfeuerwehr so sehr an der Gefahrenprävention gelegen ist, hängt vor allem mit den Erfahrungen zusammen, die sie bei ihren alljährlichen Einsätzen um den Jahreswechsel macht. In der Silvesternacht 2016/2017 mussten ihre Kräfte zu insgesamt 1585 Einsätzen ausrücken, 433-mal zur Brandbekämpfung und 1067-mal im Rettungsdienst. In jener Nacht wurden durch Feuerwehrkräfte 34 Menschen versorgt, die mit Pyrotechnik durch Fremdverschulden verletzt worden waren, erinnerte Landesbranddirektor Gräfling. Jährlich kämen in Berlin insgesamt sogar 500 beim Silvesterfeuerwerk verletzte Menschen in Kliniken. Viele andere Personen ließen ihre Wunden gar nicht versorgen.

»Ein großer Teil der zu erwartenden Einsätze wird wieder auf unsachgemäßen oder fahrlässigen Umgang mit Silvesterfeuerwerk zurückzuführen sein«, sagte Gräfling. »Wir möchten darum alle Berliner bitten, unsere Sicherheitstipps für die Silvesternacht zu beachten.«

Die Feuerwehr empfiehlt, nur geprüftes Feuerwerk zu kaufen und sich vorab mit der Gebrauchsanleitung ausführlich zu beschäftigen. Raketen sollten nur aus Glasflaschen mit sicherem Stand gezündet werden, wobei sich Getränkekästen als »Startrampe« bewährt hätten. Generell dürften Feuerwerkskörper nicht als Waffe verwendet, nicht auf Menschen, Tiere und Gebäude gerichtet werden. Stets zu achten sei auf ausreichend Sicherheitsabstand und »freies Schussfeld«.

Zu Vorsorge in der Silvesternacht raten die Experten aber im Prinzip allen Bürgern: Fenster und Türen schließen, brennbare Gegenstände von Terrassen und Balkonen entfernen, auf brennbares Dekomaterial verzichten. Und Partybesucher sollten sich über Fluchtwege und Notausgänge sowie deren Zustand informieren. Fühlten sie sich dennoch unsicher, sollten sie im Zweifelsfall den Besuch der Veranstaltung abbrechen.

»Die Berliner Feuerwehr hat sich auf den anstehenden Jahreswechsel umfassend vorbereitet«, erklärte ihr Chef. Um der zu erwartenden Belastung in der Spitzenzeit zwischen 19 Uhr und 6 Uhr morgens gewachsen zu sein, kündigte Wilfried Gräfling die faktische Verdopplung der üblichen Einsatzzahlen an. So werden 1412 haupt- und ehrenamtliche Einsatzkräfte bereitstehen, um 432 Einsatzfahrzeuge zu besetzen. Neben mehr Berufsfeuerwehrleuten sind 489 Freiwillige Feuerwehrleute sowie 117 Angehörige von Hilfsorganisationen auf Stand-by. In der Feuerwehrleitstelle wird die Besetzung in der Silvesternacht auf 78 Mitarbeiter verdoppelt.

Zur Silvesterparty »Welcome 2018« zwischen Brandenburger Tor und dem Großen Stern rechnet Gräfling mit mehreren Hunderttausend Gästen. An deren Flanken werden an zentralen Punkten Fahrzeuge von Feuerwehr und Hilfsorganisationen stationiert. Mit 140 Helfern und Ärzten sind die DRK-Unfallhilfsstellen besetzt. Jede private Knallerei auf dem abgesperrten Areal ist übrigens verboten - dafür wird über Deutschlands größter Partymeile um Mitternacht das traditionelle Silvesterfeuerwerk gezündet.

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