Suche nach den Hintermännern

Türkei weitet ihre Ermittlungen im Mordfall Dink auf rechte Politiker aus

  • Jan Keetmann, Istanbul
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Die Türkei geht Verbindungen der rechten Partei BBP zu den Hintermännern des Mordes an dem Journalisten Hrant Dink nach.

In den Fall des am 19. Januar in Istanbul erschossenen türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink ist in der vergangenen Woche Bewegung gekommen. Vier Mitglieder der nationalistisch-religiösen Partei der großen Einheit (BBP) aus Trabzon waren vorübergehend festgenommen und in Istanbul verhört worden. Zu ihnen gehörte auch der Kreisvorsitzende der BBP, Yasar Cihan. Ein Grund für die neuerlichen Ermittlungsaktivitäten ist sicher auch der Druck aus den USA. Drei Forderungen stehen im Raum: Ende der Wirtschaftsblockade gegen Armenien, Abschaffung des Paragraphen 301 (Herabsetzung des Türkentums) und restlose Aufklärung des Mordes an dem bisher einzigen Menschen, der nach diesem Paragraphen verurteilt wurde, Hrant Dink. Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz findet die Regierung Erdogan allerdings wenig Gefallen an einer Änderung des Gesetzes noch vor den Wahlen Anfang November und an einer Aufhebung der Blockade. Bleibt Bewegung im Falle Dink. Zunächst sah es ganz einfach aus. Der 17-jährige mutmaßliche Attentäter Ogün Samast wurde kurz nach dem Mord auf der Heimreise nach Trabzon gefasst. Als Hintermann tauchte Yasin Hayal auf, der mit einer Gruppe von Jugendlichen in Trabzon Schießübungen veranstaltet und Samast mit dem Mord beauftragt haben soll. Der Kopf der Gruppe schien der Student Erhan Tuncel zu sein. Die Überraschung war groß, als sich herausstellte, dass Tuncel zugleich als Informant für die Polizei arbeitete und dass er diese bereits elf Monate vor dem Attentat von den Mordplänen unterrichtet hatte. Nach Darstellungen in der türkischen Presse soll Tuncel insgesamt 25 Mal mit Polizisten telefoniert haben, ohne das etwas geschehen sei. Die Polizei hätte den Mordvorbereitungen demnach bis zuletzt zugesehen. Überdies hatten Beamte den Mörder nach seiner Festnahme wie einen Helden gefeiert und mit ihm für Erinnerungsfotos posiert. Nach Ansicht von Sonderermittlern der Regierung trägt die türkische Polizei damit eine Mitschuld an der Ermordung des Journalisten. Als Konsequenz fordern sie ein Disziplinarverfahren für den Istanbuler Polizeipräsidenten Celalettin Cerrah. Und noch eine andere Seite ist zu untersuchen: die Beziehungen der BBP zu den mutmaßlichen Anstiftern. Der Kreisvorsitzende Cihan hatte die Familie von Yasin Hayal finanziell unterstützt, als dieser vor drei Jahren wegen eines Bombenanschlags auf eine McDonald's-Filiale in Trabzon im Gefängnis saß. Cihan gehörte auch zu den Leuten, mit denen Erhan Tuncel am Tag des Attentats telefonierte. Angeblich wurde über Parteiinterna gesprochen. Das Attentat hatte in der Türkei ein Rätselraten über die Hintermänner des Mordanschlags ausgelöst. Nicht nur Dinks Familie vermutet...

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