»Nur über die Leiche des Kapitalismus«

Mexiko: Zapatistas starteten neue Phase des zivilen Widerstandes gegen Regierungspolitik

  • Luz Kerkeling, San Cristobal
  • Lesedauer: 3 Min.
Die von der Zapatistischen Armee zur nationalen Befreiung (EZLN) angeregte »Andere Kampagne« hat zum Ziel, die soziale Realität in Mexiko friedlich, aber radikal zu verändern.
Die zweite Etappe der »Anderen Kampagne« in Mexiko ist angelaufen. In den kommenden Jahren will ein breites außerparlamentarisches Bündnis »von unten und links« eine antikapitalistische Verfassung für Mexiko durchsetzen. In der 2006 durchgeführten ersten Etappe stand das gegenseitige Kennenlernen der rund 1000 an der »Anderen Kampagne« beteiligten Gruppen im Mittelpunkt. Sie umfasste eine Reihe landesweiter Kongresse, Demonstrationen, Kulturveranstaltungen und die Rundreise von EZLN-Sprecher Subcomandante Marcos durch das gesamte Land. Comandante Tacho eröffnete nun Ende März die zweite Etappe der Kampagne und benannte die Bündnispartner, die im Laufe dieses Jahres von sieben EZLN-Kommandantinnen, sieben Kommandanten und Marcos in ganz Mexiko besucht werden sollen: »Wir werden mit unseren Compañeras und Compañeros kämpfen - mit Indigenen, Bauern, Arbeitern, Lehrern, Studenten, Hausfrauen, Stadtteilbewohnern, Familien, Homosexuellen, Sexarbeiterinnen, Fahrern, Tagelöhnern, Ärzten und Krankenschwestern.« Tacho erinnerte an die Repression gegen die Bewegung, die allein im vergangenen Jahr mindestens zwei Tote, Dutzende politische Gefangene, sexuell misshandelte Frauen und weitere Opfer von Willkür der staatlichen Sicherheitskräfte und paramilitärischer Gruppen zu beklagen hatte. Ziel der aktuellen Rundreise ist die Entwicklung eines zivilen »Kampfprogramms« gegen das derzeitige politische System. Seit Monaten diskutieren die Mitgliedsgruppen der »Anderen Kampagne« zudem über eine verbindliche Organisationsstruktur, die dem Netzwerk größere Effizienz liefern soll, ohne zu einem hierarchischen Aufbau zu führen. Comandanta Kelly stellte den Aufruf zu einer »Weltweiten Kampagne zur Verteidigung der autonomen indigenen und bäuerlichen Territorien in Chiapas, Mexiko und der Welt« vor. Sie erläuterte, dass die zapatistischen Gemeinden momentan einer neuen Aggression ausgeliefert seien, mit der paramilitärische Gruppen den EZLN-Anhängern das Land rauben wollten. Dabei würden die Paramilitärs Unterstützung von der Regierung auf Landes- und Bundesebene erhalten. »Wir haben in Chiapas unter Beteiligung Tausender Milizionäre eine wahre Agrarreform und -revolution durchgeführt«, so Kelly weiter. Doch die Errungenschaft, dass viele Familien nun ihr eigenes Land besitzen, sei mehr und mehr gefährdet, nicht nur in Chiapas. Aus diesem Grund richtete die EZLN ihren Aufruf an lokale, nationale und internationale Adressaten, in einer gegenseitigen Solidaritätskampagne die bäuerlichen Ländereien weltweit zu verteidigen. Durch eine Live-Schaltung per Internettelefon solidarisierten sich Rafael Alegría vom globalen Bauernverband »Via Campesina« und Joao Pedro Stédilo, Mitbegründer der brasilianischen Landlosenbewegung MST, noch während der Veranstaltung mit der Kampagne. Sie dankten den Zapatistas für Inspiration und Kraft, die ihre Organisationen seit 13 Jahren durch die Rebellion in Chiapas erhielten. Subcomandante Marcos betonte in San Cristobal einmal mehr, dass die politischen Parteien in Mexiko keine Instrumente gegen den Neoliberalismus seien. Die gesamte politische Klasse und vor allem die Massenmedien seien im Gegenteil bedeutende Protagonisten des aktuellen »neoliberalen Weltkrieges«. Marcos erinnerte daran, dass der aktuelle »Eroberungsfeldzug des Kapitalismus« alles - Land, Wasser, Gene, Menschen, den gesamten Planeten - »zu einer Ware« mache. Er räumte ein, dass der Weg der »Anderen Kampagne« sehr schwierig sei, insistierte jedoch, dass eine andere Welt durchaus möglich sei. Dieser führe allerdings »nur über die Leiche des Kapitalismus«.
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