37 Prozent mehr rassistische Gewalt

Delikte mit rechtsradikalem Hintergrund nehmen weiter zu / Linke kritisiert »Ignoranz«

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der offiziell registrierten rechtsextremen Straftaten abermals gestiegen. Während Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble Überlegungen über die Ursachen für den Anstieg anstellte und sagte, der erneute Zuwachs gebe Anlass zur Sorge, forderte die Linksparteipolitikerin Petra Pau die Politik auf, endlich zu handeln.

2005 waren die offiziell gezählten »politisch motivierten Straftaten« auf einem historischen Höchststand. Doch auch 2006 wurde ein »Rekordjahr«: Erneut nahm die Zahl der als politisch betrachteten Delikte zu - wobei rechtsextreme Straftaten mit etwa 62 Prozent erneut den deutlich größten Teil ausmachten. Im vergangenen Jahr registrierten die Behören insgesamt rund 18 000 rechtsextreme Straftaten, darunter mehr als 12 500 Propagandadelikte. Besonders stark stiegen die Zahlen von Delikten mit rassistischem Hintergrund (plus 32 Prozent), wobei Gewalttaten mit fremdenfeindlichen Hintergründen sogar um 37 Prozent zunahmen. Auch wenn das Bundesinnenministerium bei der Vorlage der Zahlen noch keine »fundierte Analyse des Anstiegs« abgeben wollte, mutmaßte Schäuble, die »politisch rechts motivierte« Kriminalität sei vor allem auf die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zurückzuführen, wo die NPD, vor allem in Schwerin, wahlpolitische Erfolge erzielen konnte. Dies, so der Minister, könnte in der Szene als Ansporn und Bestätigung empfunden worden sein. Einen weiteren Grund sieht Schäuble in der Fußball-Weltmeisterschaft, in deren Umfeld es eine lange öffentliche Debatte um rechte Straftaten gegeben habe. Diese, so das Bundesinnenministerium, »könnte einerseits zu Nachahmungen, andererseits aber auch zur Sensibilisierung der Bevölkerung und damit verbundener erhöhter Anzeigebereitschaft geführt haben«. Die Zunahme für das Plus politischer Straftaten von links sieht das Bundesinnenministerium dagegen nicht etwa in der bereits letztes Jahr einsetzenden Serie von militanten Aktionen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm. Für Schäubles Ressort kommen für den Anstieg im linken Spektrum - von etwa 4900 in 2005 auf rund 5350 in 2006 - »vor allem Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner in Betracht, die wiederum auf vermehrte Anmeldungen von vornherein auf Provokation angelegter rechter Veranstaltungen zurückgeführt werden könnten«. Mit anderen Worten: Ein großer Teil der Zunahme so genannter politisch motivierter Straftaten von links stehen im Zusammenhang mit Antifa-Aktionen gegen Nazi-Aufmärsche. Deren Zahl nimmt weiter zu: Fanden 2003 noch 134 Nazi-Demos statt, waren es nach 127 Aufmärschen im Jahr 2004 im Jahr 2005 schon 205. Für 2006 liegen noch keine Zahlen vor. Für Schäuble gaben die Zahlen »Anlass zur Sorge« - und für übliche Beteuerungen. Man werde die Maßnahmen gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz weiter intensivieren, so der Minister. Die Linkspartei-Abgeordnete Petra Pau verlangt dagegen endlich konkrete Schritte. Wenn binnen zwei Jahren die Zahl rechtsextremer Straftaten um 50 Prozent zunehme, müsse dringend gehandelt werden. Pau forderte, die unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach EU-Vorbild, wie bereits vom Bundestag beschlossen endlich einzusetzen. Zudem müssten zivilgesellschaftliche Programme gegen rechts »gesichert und ausgebaut« werden. Große Erwartungen an die schwarz-rote Bundesregierung hat Pau allerdings nicht. Als unlängst die Antwort auf eine große Anfrage der Linksfraktion einging, war die Enttäuschung bei Pau groß. Obgleich die Bundesregierung ein Jahr Zeit für die Antwort hatte, habe sie mit ihrer Antwort »eine große Chance ausgeschlagen«. Mitunter habe Pau den Eindruck gehabt, »die Anfrage ist ihr lästiger, als der reale Rechtsextremismus«. Einige der Antworten hätten von ...

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