Ein Talent fürs Tortenbacken

Integrationsbegleiter kümmern sich intensiv um Langzeitarbeitslose

»Vor vier Jahren habe ich angefangen mit Backen. Das mache ich hobbymäßig«, erzählt Franziska. Sie ist 28 Jahre alt und im Moment arbeitslos. Köchin hat sie gelernt. Doch den Beruf möchte sie nicht mehr ausüben. In der Gastronomie sind die Arbeitszeiten familienunfreundlich, und sie hat einen achtjährigen Sohn. Aber als Konditorin würde sie sehr gern ihren Lebensunterhalt verdienen. Das eine oder andere Praktikum hat sie bereits absolviert. Nur mit einer Lehrstelle hat es leider noch nicht geklappt.

Dabei müsste sich jeder Konditor eigentlich verzehren nach so einer talentierten Auszubildenden, die mit Leidenschaft bei der Sache ist. Denn Franziskas Torten sind kleine Kunstwerke. So hat sie bunte Szenen aus dem beliebten Computerspiel »Minecraft« in eine Leckerei verwandelt. Und es sieht nicht nur gut aus. Es schmecke auch hervorragend, schwärmen Katja Knöfel und Christel Schneemilch.

Knöfel und Schneemilch kümmern sich als Integrationsbegleiterinnen beim Verein Buckow in Eberswalde intensiv darum, schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose so fit zu machen, dass sie eine Ausbildung beginnen oder eine sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aufnehmen können.

Bei den Menschen, die zu ihnen kommen - 100 Personen sind es in der seit 2015 laufenden Maßnahme gewesen -, ist das kein Kinderspiel. In den leichten Fällen benötigen Bürofachkräfte nur eine Schulung in den heute gängigen Textverarbeitungsprogrammen. In der Regel sind die Qualifikationen aber mangelhaft oder veraltet. So hatten 66 der Männer und Frauen keinen Führerschein, was auf dem Dorf ein Problem sein kann, aber für Schichtarbeiter auch in der Stadt Eberswalde. Denn früh um 4 Uhr fährt dort noch kein Bus. Jüngere Langzeitarbeitslose besuchten oft nur eine Förderschule. Die Zeugnisse von dort sind kein anerkannter Schulabschluss. Ältere Betroffene haben manchmal einen Beruf erlernt, den es heute gar nicht mehr gibt. Christel Schneemilch nennt als Beispiel den »Schmiermaxe« im Reichsbahnausbesserungswerk, der mit der Ölkanne herumlief. Dazu kommen oft noch andere Probleme, beispielsweise gesundheitliche Beschwerden oder Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung. Zum Glück können am Vereinsstandort in der Spreewaldstraße eine Erzieherin und ein Psychologen mit Ratschlägen helfen, und es gibt hier auch eine Schuldnerberatung.

»In diesem Projekt kann man mehr als nur die berufliche Entwicklung betrachten. Das ist ein hohes Gut«, sagt Katja Knöfel. Zwölf Monate, unter Umständen sogar 24 Monate lang kann sie sich um die Erwerbslosen kümmern, sie zum Jobcenter und zu Bewerbungsgesprächen begleiten, ihre Stärken feststellen, etwas gegen ihre Schwächen unternehmen.

In Brandenburg sind 87 288 Männer und Frauen arbeitslos gemeldet. 35 447 von ihnen sind schon länger als ein Jahr ohne Job. Landesweit sind 69 Integrationsbegleiter im Einsatz. Möglich wird dies alles durch EU-Fördermittel. Insgesamt 2,2 Milliarden Euro stehen im Land Brandenburg dafür zur Verfügung. Damit konnte seit 2015 die intensive Betreuung von mittlerweile 3463 Langzeitarbeitslosen bezahlt werden. Rund 700 von ihnen haben schon eine Arbeitsstelle gefunden.

Der 1986 geborene Michel etwa begann am Dienstag eine Ausbildung zum Grafik- und Mediendesigner. Er hatte nur die 8. Klasse abgeschlossen und war eine Weile obdachlos gewesen. Doch dumm ist er nicht. Im Gegenteil. Michel hat die 9. und 10. Klasse mittlerweile mit guten Noten nachgeholt, und Knöfel konnte ihn für die theoretische Ausbildung bei einem Bildungsträger in Berlin unterbringen, für den praktischen Teil bei einer Werbeagentur in Eberswalde.

Gemessen an den einstigen Schwierigkeiten des jungen Mannes sei das ein großer Erfolg, denkt Knöfel. Sie ist überzeugt: Ohne die Integrationsbegleitung hätte das nicht geklappt, Michel und andere Maßnahmeteilnehmer wären noch lange arbeitslos geblieben. Mindestens 15 der 100 Erwerbslosen sollte der Verein bis Ende Januar in Arbeit bringen und wenigstens 15 weiteren eine Ausbildung verschaffen. »Das haben wir fast geschafft«, sagt Knöfel. Das mit EU-Mitteln finanzierte, landesweite Projekt läuft noch bis 2020 weiter. Für die Fortsetzungsphase hat sich auch der Verein Buckow wieder beworben. Die Entscheidung dürfte in den nächsten Tagen fallen. Knöfel ist, was das betrifft, guter Hoffnung. Es gibt noch einiges zu tun.

Köchin Franziska hilft jetzt erst einmal ehrenamtlich im Vereinscafé aus. Dort bekommen montags bis freitags Lehrlinge und Anwohner für 3,50 Euro eine warme Mittagsmahlzeit. Auf dem Speiseplan stehen für Mittwoch buntes Eierragout mit Püree und Obst. Dienstags und donnerstags gibt es auch Kaffee und Kuchen. Da tritt Franziska mit ihren Torten in Aktion. Dafür winkt erst einmal nur eine Aufwandsentschädigung. Doch hoffentlich klappt es auch noch mit einer Konditorlehre.

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