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Der lange Schatten der Apartheid

Südafrikas Zivilgesellschaft kämpft noch immer für Mandelas Vision von Freiheit und Würde

  • Helge Swars, Weltfriedensdienst
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch über 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid hat sich die Lage von Millionen schwarzen SüdafrikanerInnen noch immer nicht verbessert. Die Landverteilung heute entspricht weitgehend dem Stand von 1913, als die schwarze Bevölkerungsmehrheit per Gesetz enteignet wurde. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Die weite Verbreitung von HIV, insbesondere unter den Jüngeren, stellt eine gewaltige Belastung für die Zukunft dar. Südafrika zählt zu den Ländern mit der größten Einkommensungleichheit. Zwar hat sich durch den Wegfall der rassistischen Diskriminierung und durch Förderprogramme eine wohlhabende schwarze Mittel- und Oberschicht gebildet. Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich jedoch seit dem Ende der Apartheid weiter geöffnet. 20 Prozent der Bevölkerung verfügen über fast 70 Prozent des Nationaleinkommens.

Exemplarisch für dieses Versagen des als Befreiungsbewegung an die Macht gekommenen African National Congress (ANC) ist die Parteiführung selbst. Die Präsidentschaft Jacob Zumas ist von Korruptionsvorwürfen geprägt. Der im Dezember neu gewählte Parteichef und designierte Nachfolger Zumas, Cyril Ramaphosa, war in den 80er Jahren noch Gewerkschaftsführer der Minenarbeiter und hatte entscheidenden Anteil am Ende der Apartheid. 2012 stand er als Manager des Bergbaukonzerns Lonmin auf der anderen Seite. Mit seiner kompromisslosen Haltung gegenüber streikenden Minenarbeitern war er direkt mitverantwortlich für das Massaker von Marikana im August 2012, bei dem 34 Bergleute erschossen wurden.

Der ANC regiert noch immer mit absoluter Mehrheit. Innerparteiliche Kritik gibt es kaum. Viele ParlamentarierInnen kümmern sich weniger um die Belange der Menschen in ihrem Wahlkreis als darum, ihre Stellung in der Partei zu sichern, wobei auch Gewalt gegen die Konkurrenz angewendet wird. Die Menschen in Südafrika machen die Erfahrung, dass ihnen kein Gehör geschenkt wird. Die Folge sind seit Jahren andauernde gewalttätige Proteste gegen mangelnde öffentliche Infrastruktur und Dienstleistungen.

Gleichzeitig hat Südafrika eine der fortschrittlichsten Verfassungen der Welt. Meinungs- und Pressefreiheit oder die Unabhängigkeit der Justiz funktionieren weitgehend. Aufgrund des relativ hohen Nationaleinkommens verfügen die Behörden des Schwellenlandes über ein Budget und können, den Willen vorausgesetzt, Politik gestalten.

Dafür braucht es jedoch eine starke Zivilgesellschaft. Südafrika ist mit der Überwindung der Apartheid aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit geraten. Viele internationale Organisationen haben sich aus dem Land zurückgezogen, UnterstützerInnen enttäuscht abgewandt. Dabei werden sie gerade jetzt als Partner gebraucht, um zivilgesellschaftliche Initiativen und Bewegungen zu stärken. In ihnen engagieren sich nicht nur ehemalige Anti-Apartheid-AktivistInnen, die für eine andere Vision von Südafrika gekämpft haben. Auch viele junge Menschen, sogenannte »Born frees«, lassen sich von den früheren Verdiensten des ANC nicht mehr beeindrucken und fordern ihre Rechte ein.

Nur wenn es eine starke Zivilgesellschaft gibt, kann es gelingen, Machtmissbrauch aufzudecken oder Regierungsstellen dazu zu bringen, ihre Aufgaben wahrzunehmen. Nur dann werden bei Konflikten um Ressourcen die Bedürfnisse der Armen berücksichtigt und kann Gewalt eingedämmt werden.

Unser Autor ist Programmkoordinator für Südafrika beim Weltfriedensdienst e.V.

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