Eigenanteile fürs Pflegeheim steigen

Der Landtag stimmte am Donnerstag für eine Bundesratsinitiative zur Neuverteilung der Pflegekosten

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit großer Mehrheit haben die Landtagsabgeordneten die rot-rote Regierung aufgefordert, eine Bundesratsinitiative in Sachen Pflegekosten zu starten. Dem von SPD und LINKE eingebrachten Antrag stimmten auch die Grünen und die AfD zu. Die CDU enthielt sich. Dem Beschluss zufolge soll Brandenburg im Bundesrat fordern, die Pflegeversicherung finanziell besser auszustatten. Ziel sei es, »Pflegebedürftige zu entlasten und zu verhindern, dass Kostensteigerungen nur durch die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Sozialhilfeträger zu tragen sind«. Ferner soll sich die Landesregierung für einen Einstieg in eine solidarische Pflegeversicherung einsetzen. Es müssten, so heißt es, sofort bundeseinheitlich verbindliche und geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um den Personalnotstand in der Pflege zu beheben.

Aktueller Anlass waren Tarifabschlüsse, die für den einzelnen Pflegebedürftigen eine Mehrbelastung von bis zu 500 Euro im Monat nach sich ziehen. Wie Sozialministerin Diana Golze (LINKE) am Donnerstag sagte, sei es nur recht und billig, dass die schwere, aufopferungsvolle Arbeit der Pflegekräfte angemessen vergütet wird. Doch zeige sich, dass das Finanzierungssystem in der Pflege auf solche plötzlichen Kostensteigerungen nicht vorbereitet ist. Das Nachsehen haben dann die Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen oder die Sozialkassen.

Die Ministerin sprach von der Angst vieler Menschen, nun ihr Häuschen verkaufen zu müssen, um die Pflege von Angehörigen zu finanzieren. Wenn in den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene ein »Schonvermögen« von 100 000 Euro diskutiert werde, dann sei das ein Schritt in die richtige Richtung, greife aber zu kurz, meinte Golze. In Westdeutschland liege der Eigenanteil der Pflegebedürftigen inzwischen bei 2200 Euro im Monat. »Das ist für die meisten Brandenburger unerschwinglich.« Nach Ansicht von Golze sollte der Eigenanteil begrenzt werden. Die Kostensteigerungen sollten durch die Pflegekassen getragen werden.

Die SPD-Abgeordnete Sylvia Lehmann sprach sich dafür aus, im Pflegebereich die Teilkaskoversicherung in eine Vollkaskoversicherung umzuwandeln. Derzeit liege das finanzielle Risiko einzig bei den Versicherten. Senioren, die Zeit ihres Lebens fleißig gearbeitet haben, am Lebensende an das Sozialamt zu verweisen, sei menschenunwürdig. Lehmann trat dafür ein, die Pflege als Daseinsvorsorge und damit als »Aufgabe des Staates« zu betrachten.

Die CDU-Abgeordnete Roswitha Schier erklärte, dass 70 Prozent der Pflegebedürftigen von ihren Angehörigen betreut werden. Davor könne man sich nicht tief genug verneigen. Zu den Kosten, die Heimbewohner zu tragen haben, kämen nicht selten die Kosten für die Ausbildung der Pflegekräfte und für Investitionen hinzu. Hier könne das Land eingreifen und für Entlastung sorgen. Schier trat für bundesweite Tarifgehälter in der Pflege ein, »damit das sinnlose gegenseitige Abwerben aufhört«.

Die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) machte darauf aufmerksam, dass Pflegekräfte ihren Beruf im Schnitt nur 8,4 Jahre ausüben. Die Branche leide unter hohen Krankenständen. Die Missstände seien in der Vergangenheit Gegenstand »wohlfeiler Sonntagsreden« gewesen, grundsätzlich verbessert habe sich nie etwas. Nonnemacher sprach enttäuscht von einer Gesellschaft, in der die Reparatur des Autos mehr wert ist als die Pflege der Menschen. Wenn CDU und SPD auf Bundesebene ein Sofortprogramm für 8000 Pflegefachkräfte erörtern, dann sei das angesichts von 13 000 Pflegeeinrichtungen in der Bundesrepublik »ein Tropfen auf den heißen Stein«.

Die brandenburgische Volkssolidarität begrüßte die Bundesratsinitiative und wünschte Erfolg. Sollte es tatsächlich zu einer »fairen und angemessenen Kostenverteilung in der Pflege« kommen, würde das der sozialen Ausgewogenheit nicht nur in Brandenburg dienen, sagte der Verbandsratsvorsitzende Bernd Niederland. Schon vor einigen Monaten habe die Volkssolidarität dargelegt, dass eine deutliche Verbesserung der Einkommen der Pflegekräfte dringend geboten sei. Gleichzeitig wende sich der Landesverband dagegen, dass die Kosten durch die notwendigen höheren Gehälter allein den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Es dürfe nicht dazu kommen, dass die berechtigten Interessen der Pflegekräfte gegen den Anspruch der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen auf eine gute Pflege ausgespielt werden.

Indessen meldete die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, sie habe am 22. Februar den zweiten Termin für Tarifverhandlungen mit dem DRK-Kreisverband Spree-Neiße. Derweil erhöhe das DRK bereits zum 1. Februar die Heimentgelte. Der Eigenanteil zu den Pflegekosten steige um 93 Euro auf 651,88 Euro im Monat, die Zahlung für Unterkunft und Versorgung um 29,20 Euro auf 629,09 Euro. »Wir fragen uns, wie es zur Erhöhung der Heimkosten kommen kann, wenn ein Tarifvertrag noch nicht vereinbart ist«, sagte ver.di-Verhandlungsführer Ralf Franke.

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