Siedlungsachsen für Berlin

Überarbeiteter Entwurf für die gemeinsame Landesplanung bis 2030 zur Debatte gestellt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Nahverkehrsplan, Mobilitätskonzept, Sanierungsprogramm, Bahn-Bus Konzept, Masterplan zur Entwicklung des ländlichen Raums, Bahn-Strategie, Bundesverkehrswegeplan - gefühlt stellt das Verkehrs- und Infrastrukturministerium in Potsdam jede Woche ein neues Konzept oder seine Weiterentwicklung vor. Es ist vom Laien kaum noch zu überschauen, in welchem Zusammenhang diese Dinge miteinander stehen und ob sie nicht alle das Gleiche bedeuten oder zumindest ähnliches.

Nun liegt seit Montag der zweite Entwurf zum gemeinsam mit Berlin erarbeiteten Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion (LEP HR) aus, der vor allem Neusiedlungspläne bis 2030 beinhaltet. Er soll festlegen, wo aus Sicht der Landesregierungen Entwicklung mehr oder weniger ungebremst stattfinden darf und wo Beschränkungen unerlässlich sein sollen.

Wie das auch für Landesplanung zuständige Infrastrukturministerium am Wochenende in Potsdam mitgeteilt hatte, können ihn Interessierte in den Kreisverwaltungen und den Rathäusern der Berliner Bezirke bis zum 4. April nicht nur einsehen, sondern auch Stellungnahmen dazu abgeben. Dies sei auch über das Internet möglich, hieß es. Gelegenheit zur Stellungnahme sollen aber auch die »öffentlichen Stellen« erhalten, »insbesondere der Nachbarstaat Polen, der Bund, die Nachbarländer, Brandenburger Kommunen und Berliner Bezirke«, so die Mitteilung des Ministeriums.

Beim Beteiligungsverfahren für den ersten Entwurf im vergangenen Jahr waren dem zufolge mehr als 1000 Stellungnahmen und 11 400 Einzelanregungen eingegangen. Deshalb sei der Entwurf deutlich überarbeitet worden.

Der Plan legt beispielsweise fest, an welchen Stellen im Land Brandenburg Gewerbegebiete und Wohnsiedlungen neu entstehen können. In der Neufassung geht es unter anderem um den Erhalt und die Weiterentwicklung des Berliner Siedlungssterns mit zwei neuen Besiedlungsachsen nach Wandlitz und Werneuchen (Barnim). Die bestehende Achse wird über Hennigsdorf hinaus nach Oberkrämer (Oberhavel) verlängert. Dort können künftige Wohnbereiche für Tausende, vielleicht Zehntausende Menschen ausgewiesen werden. Der Landesentwicklungsplan reagiert mit dieser Freigabe auf das Bevölkerungswachstum in Berlin, Brandenburg sowie angrenzenden Metropolregionen wie Szczecin, Wrocław, Leipzig und Hamburg. Entwicklung und Wachstum sollen aber in alle Räume der Hauptstadtregion getragen werden.

Erklärtes Ziel ist es gleichzeitig, »Wildwuchs« nicht zuzulassen und doch allen Regionen die Chance zu lassen, am Prosperieren der Hauptstadtregion teilhaben zu können. Entscheidender Grundsatz der Planung: Die Metropole soll nicht einen »Siedlungsbrei« um sich entstehen lassen, wie er etwa das Umland von Frankfurt am Main und München prägt. Vielmehr sollen Wachstum und Ausdehnung letztlich einen sogenannten Siedlungsstern ergeben, wie er sich jetzt schon deutlich abzeichnet. Entlang der sternförmig von Berlin wegführenden Bahntrassen sollen die neuen Siedlungen entstehen und die grünen Zwischenräume als »Frischluftschneisen« erhalten bleiben.

Nach diversen Einwänden soll es aber für kleine Gemeinden, die außerhalb der »Entwicklungsachsen« liegen, insofern neuerdings mehr »Bewegungsfreiheit« geben, als er ihnen erlaubt, zusätzliche Wohnungen für den eigenen Wachstumsbedarf zu bauen, damit - wie es heißt - Kinder bei den Eltern und Großeltern bauen dürfen. Außerdem soll es weniger Beschränkung für Gewerbe geben. Voraussetzung für die Entwicklung der zentralen Orte bleibe aber, dass neue Häuser innerhalb bestehender Siedlungsgrenzen gebaut werden müssen. In den Städten und Dörfern sollen die Zentren gestärkt werden.

Die Städte Angermünde (Uckermark), Luckau (Dahme-Spreewald), Blankenfelde-Mahlow (Teltow-Fläming) und Hoppegarten/Neuenhagen (Oder-Spree) rücken in den Rang eines Mittelzentrums auf. Sie übernehmen damit für kleinere Umlandgemeinden wichtige Funktionen, beherbergen unter anderem weiterführende Schulen, Einkaufszentren, Kinos oder Ärztehäuser. Sie können mit weniger Planungsbeschränkungen und höheren finanziellen Zuweisungen rechen, immerhin mit bis zu 800 000 Euro im Jahr.

Die Oppositionsfraktionen der CDU und der Grünen im Landtag stehen den Plänen kritisch gegenüber und bemängeln vor allem eine Berlin-Zentriertheit. Der CDU-Abgeordnete Rainer Genilke brachte dazu in der vergangenen Woche die Neueinführung von Grundzentren ins Spiel: Ansonsten werde verhindert, »dass Brandenburg dort wächst, wo es wachsen kann«. Die Grundzentren waren 2009 abgeschafft worden. So bezeichnete man Gemeinden, die etwa mit kleineren Läden, Tankstellen oder Arztpraxen die umliegenden Dörfer mitversorgten. Inzwischen sind die »grundfunktionalen Schwerpunkte« an diese Stelle getreten. Auch für sie sind wieder finanzielle Vorteile im Gespräch, die SPD erwägt einen jährlichen Zuschuss zwischen 100 000 und 200 000 Euro.

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