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Gefangener nicht mehr auffindbar

  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Insasse aus dem Gefängnis Tegel hat Bedienstete mit einer Attrappe in seinem Bett getäuscht. Er habe mit der Figur aus Kleidung, Toilettenpapier und Stoffresten unter der Bettdecke sowie einer Mütze bei der Zählung nach einer Freistunde den Eindruck erweckt, dass er dort liege. Wie Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Donnerstag weiter bekanntgab, wurde das Fehlen des Häftlings so erst am Morgen bemerkt, er sei aber höchstwahrscheinlich schon am Mittwoch geflohen. »Wir wissen nicht, auf welchem Weg.« Es war die zehnte Flucht innerhalb von sechs Wochen.

Es kann aber auch sein, dass sich der Gefangene in der Haftanstalt versteckt - bei mehreren Durchsuchungen konnte er nicht entdeckt werden. Die Justizverwaltung prüft, ob der 24-jährige Libyer mit einem Lastwagen entkam. Am Mittwoch hatte der Laster samt Anhänger Waren geliefert. Der Fahrer des Wagens sei befragt worden, er sei nicht verdächtig. Der Häftling war zu mehreren Gefängnisstrafen verurteilt worden. Eine vierjährige Haft wegen räuberischer Erpressung sollte bis Herbst 2022 dauern.

Ob die erneute Flucht auf fehlende Bedienstete zurückgeht, blieb offen. Behrendt verwies aber auf die angespannte Situation. »Aufklärung steht im Vordergrund.« Er werde dem Parlament Rede und Antwort stehen. »Alles andere wird sich dann zeigen.«

Am Donnerstagmorgen hatte die Justizverwaltung das Fehlen des Gefangenen gemeldet. Die Polizei leitete eine Fahndung ein.

Kritik gab es aus den Reihen der Opposition im Abgeordnetenhaus. Für die FDP-Fraktion teilte der Abgeordnete Marcel Luthe mit, der Justizsenator sei mit seinem Ressort »hoffnungslos überfordert«. Er sei nicht in der Lage, das Personal im Justizvollzug richtig einzusetzen. Der FDP-Politiker forderte erneut einen Untersuchungsausschuss zum Personalwesen in Polizei und Justiz.

Die CDU will das Thema im nächsten Rechtsausschuss anmelden. »Wir erwarten Antworten auf die Frage, wie ein solcher Ausbruch nach den Geschehnissen des noch jungen Jahres abermals möglich war«, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Rissmann. Indirekt forderte er den Rücktritt Behrendts: »Wie viele Ausbrüche soll es denn noch geben, bis der Justizsenator endlich die politische Verantwortung übernimmt?«

Tegel ist eine alte Haftanstalt mit derzeit rund 930 Plätzen. Das Gefängnis zählt zu den bundesweit größten. Der Komplex wurde im Laufe der Jahre immer wieder erweitert. dpa/nd

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