Bürgermeister gewinnt Saalwahl

Politik macht Spaß bei einer Veranstaltung mit den sechs Kandidaten in Wustermark

»Es darf auch mal gelacht werden. Politik macht viel zu selten Spaß«, ermuntert zu Beginn Benno Rougk, Redaktionsleiter im MAZ-Regionalverlag Brandenburg. Es wird dann wirklich viel gelacht, weil die Kollegen von der »Märkischen Allgemeinen« mit spritzigen Ideen aufwarten. Am 25. Februar ist Bürgermeisterwahl in Wustermark (Havelland). In der Grundschule »Otto Lilienthal« befragt Rougk die sechs Kandidaten am Dienstagabend gemeinsam mit Lokalredakteur Jens Wegener. Mehr als 100 Einwohner der Gemeinde sind gekommen, um sich das anzusehen.

Zur Auflockerung sollen die Kandidaten ihre Lieblingswitze erzählen. Den Männern fallen - wenn überhaupt - nur schlüpfrige Anekdoten ein, aber Linksfraktionschef Tobias Bank erzählt dann doch noch einen jugendfreien Witz: »Die Lehrerin hält in der Klasse ein Paar rote Handschuhe hoch und fragt, wem die gehören. Meldet sich Lisa: ›Die sehen aus wie meine. Aber es können nicht meine sein, denn die sind ja weg.‹« 6000 Euro koste sein Wahlkampf und 1500 Euro zahle er aus eigener Tasche, verrät Bank. Alle werden aufgefordert, das offenzulegen.

Bürgermeister Holger Schreiber (parteilos) investiert demnach 6000 bis 7000 Euro in seine Wiederwahl, und niemand gibt ihm was dazu. Die Summe entspricht bei ihm ungefähr einem Bruttomonatslohn. Dagegen konnte der parteilose Einzelbewerber Alexander Groh von seinen Bezügen als Polizist nicht mehr als 600 Euro erübrigen. Roland Mende hat das mit den Wahlplakaten ganz gelassen und überhaupt nichts bezahlen müssen. Die anderen hätten ja alles zugehängt, meint er ironisch. Vor exakt einem Jahr ist Mende wegen Querelen im Ortsverband aus der CDU ausgetreten. Jetzt versucht sich der rundliche Rentner als Einzelbewerber bei der Bürgermeisterwahl. Der CDU-Kreistagsfraktion gehört er aber nach wie vor an und hat auch mit der CDU-Bundespolitik keine Probleme. Er glaubt an Gott, so wie auch der offizielle CDU-Bürgermeisterkandidat Oliver Kreuels, der vor ein paar Jahren noch SPD-Mitglied war, aber die Partei wechselte. 5000 Euro stehen für Kreuels Kampagne zur Verfügung, davon 3000 Euro aus seiner Privatschatulle.

Mit 2000 Euro muss Katja Schönitz auskommen, die als Parteilose von den Bündnisgrünen nominiert wurde. Schönitz persönlich hat zu ihrem Wahlkampfetat nichts beigesteuert. Ob es einen Gott gibt, vermag sie nicht zu sagen. Aber sicherlich gebe es »Kräfte und Energien«, meint die Frau, die viel zu laut und etwas zu selbstbewusst spricht und sich selbst schon Bürgermeisterin nennt. Dabei hat der parteilose Bürgermeister Schreiber die in Wustermark starke SPD, die ihn unterstützt. Das Gemeindewappen von seinem Revers muss Schreiber abgeben, damit er nicht abgucken kann. Denn alle Kandidaten sollen dieses Wappen aus dem Gedächtnis zeichnen. Tobias Bank wird verdächtigt, er habe auf seinem Smartphone im Internet nachgeschaut, wie das Wappen aussieht, was für Heiterkeit sorgt. Gelacht wird auch, als die Kandidaten bei Schätz- und Wissensfragen das Geburtsjahr des Flugpioniers Otto Lilienthal auf einem Zettel notieren sollen. Journalist Rougk sagt als Gedächtnisstütze: »Kommunistisches Manifest.« Das hilft der Konkurrenz nicht weiter. Doch Bank als Sozialist bemerkt freudig »Ah« und schreibt - aber er vertut sich und nimmt statt 1848 das Marx-Todesjahr 1883.

So geht es munter und informativ immer weiter. Natürlich kommen dabei auch ernste Dinge zur Sprache. So klingt es erst einmal nur positiv, dass die Gemeinde im Berliner Speckgürtel wächst, vor allem der Ortsteil Elstal mit dem Olympischen Dorf von 1936, der am nächsten an der Hauptstadt liegt. Es siedeln sich Menschen und Gewerbe an, und die Marke von 10 000 Einwohnern wird bald überschritten. Im Moment sind es 9200. Der Boom bringt aber Belastungen mit sich. Für die Verwaltung sei die Schmerzgrenze bereits überschritten, stellt CDU-Kandidat Kreuels fest.

Die Not der Anwohner mit dem Verkehrslärm einer Durchgangsstraße kennt Linksfraktionschef Bank genau. Ein Tempolimit, ein Zebrastreifen und ein Blitzer seien erkämpft worden, doch gebraucht werde eine Umgehungsstraße, betont er. Bank fordert, Ortsteile ohne Bahnhof mit Buslinien an die Schiene zu bringen. Er denkt dabei an die Jugendlichen, die am Wochenende in Berlin etwas erleben wollen, und an die Kinder, die zur Schule müssen, aber nicht aufs Elterntaxi angewiesen sein sollen. Die Eltern plagen schon genug Sorgen, weil es Wartelisten für Kitaplätze gibt und die Kitastandorte nicht optimal im Gemeindegebiet verteilt sind. 30 Kitaplätze sind theoretisch frei, doch praktisch fehlen dafür Erzieherinnen. Man wird keine finden, wenn man weiter nur 30-Stunden-Verträge anbietet, rügt Bank. Volle Stellen müssten es sein, findet er, damit der Lohn für die leider hohen Mieten ausreiche. Doch Bürgermeister Schreiber winkt ab. Klar möchten die Frauen 39 Stunden die Woche arbeiten, gibt er zu. Aber für ihn geht es um die Flexibilität.

Die nicht repräsentative Saalwahl gewinnt Schreiber mit knappem Vorsprung auf Bank. Die Einzelbewerber Mende und Groh erhalten keine Stimmen. Auch bei der richtigen Wahl wird ein Zweikampf zwischen Schreiber und Bank erwartet.

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