Neutralität, die gibt es nicht

Johanna Treblin hält Neutralität in der Schule weder für erreichbar noch für erstrebenswert

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 2 Min.

Neutralität im Klassenzimmer ist ein hehres Ziel - und nicht zu erreichen. In Großbritannien tragen die Kinder Schuluniformen, die Klassenunterschiede unsichtbar machen sollen. Doch dann tragen die einen maßgeschneiderte Uniformen, die anderen kaufen ihre im Supermarkt. Die einen tragen teure Markenschuhe, die anderen No-Name-Treter.

Beim Berliner Neutralitätsgesetz geht es weniger um Klassenunterschiede und nicht um Schüler. Kreuz, Kippa, Kopftuch - nichts davon dürfen Lehrer tragen. Seltsam nur, dass die Regel nicht schon für Referendare gilt. Während ihrer 18-monatigen Ausbildung scheint die Möglichkeit der Beeinflussung als gering erachtet zu werden. Und auch Sozialpädagoginnen, die in Schulen arbeiten, müssen ihr Kopftuch nicht ablegen, bevor sie ihren Arbeitsplatz betreten.

Dabei verpflichtet das Gesetz nicht nur zu religiöser, sondern auch zu weltanschaulicher Neutralität. Ist die gewährleistet, wenn ein Lehrer mit bunten Harren, Irokesenschnitt und Piercing in der Lippe im Klassenraum steht? Was wäre denn neutral? Ein Lehrer in Hemd und Hose mit Bügelfalten, mit Anzug und Krawatte, ist der neutral? Eine Frau in engen Jeans, mit Hornbrille und Dutt, vermittelt sie durch ihre Aufmachung nicht auch ihre Weltanschauung?

Wirkliche Neutralität im Klassenzimmer, die gibt es nicht. Und sie ist auch nicht erstrebenswert. Viel besser wäre gelebte Vielfalt: Unterschiedliche Typen, um allen Kindern Identifikationsfiguren anzubieten und zu zeigen, wie bunt unsere Gesellschaft ist.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.