Grenzenlose Macht für Xi Jinping

Chinas Staatschef kann nun lebenslang im Amt bleiben

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch Präsident, oder schon Kaiser? Xi Jinpings Politikstil erinnert mehr und mehr an die Feudalzeit. Am Sonntag hat er eine der letzten Hürden für so etwas wie lebenslange Alleinherrschaft beseitigt. Der Nationale Volkskongress, Chinas gelenktes Parlament, hat wie erwartet die Verfassung geändert: Xi darf nun unbegrenzt im Amt bleiben. Mit dem Votum wurde zugleich eine neue »Kontrollkommission« geschaffen, die unabhängig von der Justiz die Aufsicht der Parteimitglieder auf alle Staatsbediensteten ausweitet. Von 2964 Abgeordneten stimmten 2959 für seinen Antrag. Die Änderung sei wichtig, »um den Sozialismus mit chinesischen Merkmalen aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln«, sagte Xi nach der Abstimmung.

Das Bild, das Xi bei alldem abgibt, verwirrt Beobachter aus dem Ausland. Denn er wirkt keineswegs wie ein zackiger oder auch nur besonders machtgieriger Diktator. Er spricht weiterhin gelassen, geradezu gemütlich und wirkt ebenso freundlich wie rational. Genau hier liegt seine Stärke: Er hat still und geschickt die Staatsgewalt auf sich konzentriert, bis niemand mehr Widerspruch wagte. Als er 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei wurde, haben ihn Freund und Feind weit unterschätzt. Keiner ahnte, was kommen würde.

Xi hat die Wechselfälle des Politikgeschäfts von Kindheit auf erfahren. Sein Vater war Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei und brachte es zum Vize-Ministerpräsidenten. Doch dann missfiel seine kritische Haltung dem damaligen Diktator Mao Zedong. Er verlor alle Ämter, Jinping musste zur ideologischen Umerziehung aufs Land und verbrachte seine Jugend unter Bauern. Später stieg der Vater erneut auf, stürzte jedoch Ende der 1980er Jahre wieder. Nun steht der Sohn nach einem Marsch durch die Ämter selbst ganz oben. Er ist er offenbar entschlossen, sich die Macht nicht wieder nehmen zu lassen.

Zugleich ist er enorm populär. Er bekämpft die Korruption. Er scherzt leutselig mit Bauern. Akten, die ihm sein Sekretär um Mitternacht auf den Schreibtisch legt, seien am frühen Morgen bereits bearbeitet. Über sein Privatleben verbreitet die Propaganda vor allem eines: Xi hat keins. Als Ausgleich gehe er manchmal schwimmen. Und für den nötigen Glamour sorgt seine Frau, die Schlagersängerin Peng Liyuan. Sie war lange bekannter als er und beeindruckt auch heute durch ihre Kleider, ihren neu-chinesischen Stil und den menschlichen Umgang mit ihren Fans. Während die Bevölkerung ihren Präsidenten für all das liebt, ist aus der Partei hinter vorgehaltener Hand von »Entsetzen« und »Trauer« über Xis schleichenden Staatsstreich zu hören. Doch jetzt kann keiner mehr etwas gegen ihn unternehmen: Nach und nach wurden die Gegner verhaftet; das Militär steht fest auf seiner Seite.

Indem Xi alle Posten mit seinen Getreuen besetzt, nimmt er den anderen Genossen allerdings die Aufstiegshoffnung. Dadurch hat er auch reichlich Feinde. Sein Handeln ist daher auch eine Art Flucht nach vorn. Es ist motiviert von den Erfahrungen einer Politikerfamilie, die Aufstieg und Sturz nur zu gut kennt. Sein Ziel ist die totale Stabilität, und er glaubt, das sei zum Besten Chinas. Paradoxerweise nähert Xi das System damit wieder an die Verhältnisse an, unter denen sein Vater - und er - seinerzeit leiden mussten.

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