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  • HSV gegen Bayern München

Hamburgs Niedergang besiegelt

Die Talfahrt des Traditionsklubs ist nach dem 0:6 in München wohl nicht mehr aufzuhalten

  • Elisabeth Schlammerl, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Kyriakos Papadopoulos hat den Ruf, kompromisslos abzuräumen. Manchmal wird der Verteidiger diesem Ruf auf dem Platz ja auch gerecht. Beim Hamburger SV in letzter Zeit eher weniger, dafür hat sich der Grieche nun zum Chefkritiker aufgeschwungen. Mit leiser Stimme sprach er über Schuld und Schuldige am Desaster - und damit war in erster Linie nicht das 0:6-Debakel beim FC Bayern gemeint. Niederlagen in dieser Höhe haben für den HSV längst Tradition in München. 50 Gegentore kassiert Hamburg in den vergangenen sieben Jahren beim Rekordmeister. Allerdings hat die Pleite dieses Mal eine viel größere Dimension. Der Auftritt am Sonnabend hat den Niedergang besiegelt, auch wenn der Verein rechnerisch noch nicht abgestiegen ist.

Während die meisten seiner Kollegen die Münchner Arena wortlos verließen, beklagte Papadopoulos fehlende Hilfe für die Mannschaft. Im Winter hätte sich die Konkurrenz im Kampf um den Klassenerhalt mit neuen Spielern verstärkt. «Nur wir nicht», sagte der griechische Verteidiger. Diese Kritik ging in Richtung Jens Todt und Heribert Bruchhagen, die bis vergangene Woche als Sportchef und Vorstandsboss unter anderem verantwortlich für die Kaderplanung waren.

Womöglich hat dies der neue starke Mann beim HSV, Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann, ähnlich gesehen und deshalb die beiden zwei Tage vor dem Bundesligaspiel in München entlassen. Es war wohl vor allem eine Perspektiventscheidung, denn es war abzusehen, dass das Führungs-Chaos kurzfristig keine positive Wirkung haben dürfte - im Gegenteil, fand Trainer Bernd Hollerbach. «Ich bin eigentlich keiner, der nach Ausreden sucht, aber in dem Fall ist es schon viel, was auf die Spieler einprasselt. Das geht nicht spurlos an ihnen vorüber. Es sind auch nur Menschen.» Beistand bekam er von seinem Kollegen Jupp Heynckes. In so einer Situation«, sagt der Bayern-Trainer, »kann man nicht befreit aufspielen«.

Die ohnehin schon verunsicherte Mannschaft ließ in München selbst das Mindestmaß an Gegenwehr vermissen. »Das war kein Männersport«, gab Kapitän Gotoku Sakai zu und meinte vor allem die ersten 18 Minuten, in denen Franck Ribery und zweimal Robert Lewandowski für den FC Bayern trafen. Da sei der Plan »vernichtet« gewesen, sagte Sven Schipplock - und sie selbst ebenfalls.

Hollerbach hat am Sonnabend allerdings auch keine Argumente für seine Weiterbeschäftigung geliefert. Zwar korrigierte er mit der Auswechslung des überforderten Dennis Diekmeier bereits in der 24. Minute seine Taktik und Aufstellung, aber die Mannschaft erweckte auch danach nicht den Eindruck, noch an sich und das kleine Wunder der Rettung zu glauben. Die Bayern zeigten sich gnädig, als sie gute Chancen ausließen, darunter einen Elfmeter, und sich mit den weiteren Toren von Arjen Robben, Ribery und Lewandowski begnügten. »Man kann hier verlieren, aber die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, ist kein Fußball, den ich sehen will«, sagte Hollerbach.

Der erst im Januar installierte Trainer ahnt, dass er ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft steht. Die sportliche Entwicklung, die bis vor einer Woche womöglich noch mit Stagnation zu beschreiben gewesen wäre, nun aber als Talfahrt zu sehen ist, spricht nicht unbedingt für eine Weiterbeschäftigung über den Abstieg hinaus.

Während Mannschaft und Trainer die Zerstörung in München zu erklären versuchten, schickten sich sogenannte Fans im Hamburg an, den Ruf des schlingernden Vereins endgültig zu ruinieren. Sie brachten am Zaun des Vereinsgeländes im Volkspark ein Banner mit der makabren Aufschrift »Eure Zeit ist abgelaufen. Wir kriegen euch alle« an. Daneben wurden Grabkreuze aufgestellt. Eine Drohung, die nicht nur im höchsten Maße geschmacklos ist, sondern die Verunsicherung in der Mannschaft vermutlich noch größer werden lässt.

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