Haie zählen mit Genen

Laut wissenschaftlichem Zensus leben 7000 Weiße Haie in Australiens Gewässern. Artenschutzmaßnahmen haben den Bestand stabilisiert.

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Albtraum der Australier, von denen die meisten in Küstenstädten leben, ist der Weiße Hai. Der bis zu sieben Meter lange Raubfisch ist in der Folklore der surfbegeisterten und schwimmverrückten Australier das, was für uns in lauschige Wälder vernarrte Deutsche der Wolf ist: ein heimtückischer, menschenfressender Killer.

Wie viele Weiße Haie sich in den australischen Gewässern tummeln, war bis zur jüngst veröffentlichten Untersuchung von Wissenschaftlern der renommierten australischen Forschungseinrichtung Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) unbekannt.

Aber auch der erste Weiße-Hai-Zensus ist noch ziemlich ungenau. Sicher ist nur: Es gibt zwei Populationen der Carcharodon carcharias. Die östliche tummelt sich in dem Dreieck zwischen Wilsons Promontory, dem südlichsten Zipfel Australiens, Neuseeland und dem nordostaustralischen Queensland. Die Zahl der Fische mit dem namensgebenden weißen Bauch in diesem Gebiet geben die CSIRO-Forscher mit 5460 an, allerdings liege der Spielraum zwischen 2909 und 12 802 Tieren. Noch vager ist die Zahl der südwestlichen Population, die zwischen Wilsons Promontory und dem Nordwesten von Westaustralien umherschwimmt.

Bislang waren Informationen über ausgewachsene Weiße Haie schwer erfassbar, weil es schwierig ist, diesen DNA-Proben zu nehmen. Durch einen Durchbruch »bei genetischen und statistischen« Methoden sei das Problem aber gelöst worden, so die Wissenschaftler. Statt auf ausgewachsene Haie konzentrieren sich die CSIRO-Forscher auf Junghaie.

Durch die Entnahme von DNA von 241 jugendlichen Weißen Haien der östlichen Population konnten sie »genetische Marker« der Eltern identifizieren. Mehr als 70 der Junghaie der östlichen Population hatten demnach mindestens einen Elternteil gemeinsam und das wiederum ermöglicht den Fachleuten einen statistischen Rückschluss auf die totale Größe der Erwachsenenpopulation.

»Die Chance, dass zwei beliebige Jungtiere einer Population einen gemeinsamen Elternteil haben, hängt davon ab, wie viele Erwachsene vorhanden sind, die ihren Reproduktionsjob tun«, sagt Richard Hillary, Leiter der Studie. Je mehr Jungtiere über die Zeit hätten untersucht werden können, desto mehr elterliche Merkmale seien festgestellt worden, die wiederum Rückschlüsse auf die Überlebensrate der Haieltern zuließen. »Die haben wir auf höher als 90 Prozent bestimmt. Wir haben viele Fälle von Elternteilen (sowohl männliche als auch weibliche) gefunden, die zwischen den Geburten ihrer Jungen 20 Jahre oder länger überlebt haben«, sagt Hillary.

In der südwestlichen Population wurden bisher DNA-Proben von 175 Junghaien entnommen, von denen 27 Halbgeschwister waren. 2017, so schätzen die Wissenschaftler, lebten in dieser Region 1460 ausgewachsene Weiße Haie, mit einem Spielraum zwischen 760 und 2250 Exemplaren. Eine genauere Vorstellung über die Gesamtpopulation für diese Region gebe es aber noch nicht. Für eine Bestimmung der Überlebensrate der Junghaie seien noch nicht genügend Tiere getestet worden.

»Damit haben wir aber einen Ansatzpunkt und können mit der Zeit die Übung wiederholen und durch die Entwicklung eines Populationstrends die Zu- oder Abnahme der Zahlen feststellen«, hofft Hillary. Das sei von entscheidender Bedeutung zur »Entwicklung effizienter Maßnahmen zum Ausgleich der manchmal widersprüchlichen Ziele von Initiativen zur Arterhaltung und zum Risikomanagements der Mensch-Hai-Interaktionen«. Allerdings scheine schon jetzt sicher, dass beide Populationen seit dem Beginn der Maßnahmen Anfang der 1990er Jahre zum Schutz der in ihrem Bestand gefährdeten Weißen Haie stabil geblieben seien.

Der in Filmen wie »Der Weiße Hai« (Jaws) und von den Medien oft als Monster porträtierte Riesenfisch ist wissenschaftlich ein noch kaum erforschtes Wesen. Der verstorbene »Jaws«-Autor Peter Benchley sagte einmal: »Wenn ich eine Hoffnung habe, dann die, dass wir diese wunderbaren Tiere schätzen und schützen lernen, bevor wir sie durch Ignoranz und Dummheit vollkommen auslöschen.«

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