Kein Anspruch auf Staatshaftung

Gericht sieht bei Beitragsbescheiden Fehler beim Landtag und nicht bei Wasserverbänden

Grundstückseigentümer können sich nach vorläufiger Einschätzung des Oberlandesgerichts (OLG) nicht auf das in Brandenburg weiter geltende DDR-Staatshaftungsgesetz berufen, wenn sie gezahlte Beiträge für Anschlüsse ans Trinkwassernetz oder an die Kanalisation zurückhaben möchten. Das Fehlverhalten habe beim Landtag und nicht bei den Wasser- und Abwasserzweckverbänden gelegen, erklärte das OLG am Dienstag in einer ersten Verhandlung über eine Musterklage. Das Urteil will das OLG erst am 17. April verkünden. Voraussichtlich wird Revision zugelassen. Die Sache wird dann wohl beim Bundesgerichtshof landen.

»Erneut wird die Entscheidung auf die Bundesebene abgeschoben«, bedauerte Christoph Schmidt-Jansa, Präsident des Grundstücksnutzerverbandes VDGN. Konkret geht es in der Musterklage darum, dass ein Ehepaar aus Bad Saarow an den Zweckverband Scharmützelsee-Storkow per Bescheid vom 15. November 2011 exakt 1321,96 Euro Beitrag für einen Anschluss zahlen sollte, der bereits vor dem 1. Januar 2000 gelegt worden war. Die Grundstückseigentümer hatten vergeblich Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Geklagt hatten sie nicht.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht Ende 2015 Fristenregelungen im Kommunalabgabengesetz für rechtswidrig erklärt hatte, sollten nur diejenigen ihr Geld zurückerhalten, die geklagt hatten oder wenigstens einen Widerspruch einlegten, der noch nicht abgelehnt war. Die Berufung auf die Staatshaftung schien ein Ausweg für die anderen zu sein. Danach sieht es aber jetzt nicht mehr aus. Betroffen sind rund 250 000 bis 300 000 Haushalte.

Das OLG revidiere jetzt weit über 20 Gerichtsentscheidungen zugunsten von Betroffenen, erklärte Thomas Kaiser vom Wassernetz Brandenburg. Thomas Kaiser ist dabei die sich abzeichnende Wendung wichtig, dass der Landtag und nicht die Wasserverbände falsch gehandelt haben. Bisher habe das Innenministerium die Verantwortung für die rechtswidrigen Bescheide zurückgewiesen. »Damit dürfte mit dem heutigen Tage Schluss sein.« Bestätige das Urteil die erste Einschätzung des OLG, dürfe man gespannt nach Potsdam schauen, meinte Kaiser. Das Innenministerium und die rot-rote Landesregierung insgesamt seien gefragt, das Problem zu lösen - »schnell, denn schon im nächsten Jahr sind Landtagswahlen«.

Auch der Landtagsabgeordnete Péter Vida (Freie Wähler) hält die Ansicht des Gerichts, dass der Landtag unrechtmäßig gehandelt habe, für den politisch maßgeblichen Fakt, weil die rot-rote Koalition Schadenersatzansprüche bisher immer mit der Begründung abgelehnt habe, die Verbände seien verantwortlich. Das »Verantwortungs-Pingpong« müsse ein Ende haben, forderte Vida. Der Abgeordnete will im Landtag beantragen, dass das Land Schadenersatzforderungen in Höhe von insgesamt etwa 250 Millionen Euro erfüllt. »Nur eine lückenlose Rückzahlung aller verfassungswidrig erhobenen Beiträge sorgt für einen nachhaltigen sozialen Frieden im Land«, sagte Vida.

Die Finanzierung der Trinkwasserversorgung und Abwasseraufbereitung ist im Land Brandenburg regional unterschiedlich geregelt. Es gibt Verbände, die von ihren Kunden lediglich Gebühren für den Verbrauch kassieren oder auch noch Grundgebühren für den Wasserzähler. Andere Verbände verlangen von den Grundstückseigentümern Beiträge in unterschiedlicher Höhe für gelegte Anschlüsse - zum Teil Jahre und Jahrzehnte danach.

Im Durchschnitt des Jahres 2016 mussten private Haushalte in Brandenburg 1,54 Euro je Kubikmeter Trinkwasser bezahlen und 3,17 Euro pro Kubikmeter Abwasser. Die jährlichen Grundgebühren summieren sich nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg durchschnittlich auf 168,77 Euro. Zum Vergleich: In Berlin liegt die Grundgebühr bei 34,01 Euro.

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