Das Ewig-Weibliche

Der neue Chemnitzer Ring der vier Regisseurinnen ist bei der »Walküre« angekommen

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

In Goethes Faust zieht uns das Ewig-Weibliche bekanntlich hinan. In Chemnitz sucht man gerade dezidiert nach der »weiblichen« Lesart von Wagners Ring. Vier verschiedene Teams, darunter nur ein Dramaturg und ein Bühnenbildner - diese Quote brütet auch schon wieder an ihrem Gegenteil. Dabei bestätigt sich bislang nur, dass es höchstens feministische Akzente einer Deutung, ansonsten aber vor allem gut durchdachte, packend in spannendes Theater übersetzte oder eben fade, beliebige, an überlieferten Klischees entlang schlitternde Inszenierungen gibt.

Verena Stoibers so politisches wie witziges »Rheingold« war ein Exempel für die erste Variante. Die »Walküre« der Niederländerin Monique Wagemakers ist eher das Beispiel für die zweite. Es ist schon eine Leistung, den ersten Akt zu einer so uninspiriert lahmen Veranstaltung zu machen. Weht doch hier die Sturmmusik des Schicksals die einst voneinander getrennten Wälsungenzwillinge unter ein Dach. Eins, unter dem die Wunderwaffe von Papa Wotan deponiert ist, unter dem die beiden für einander entflammen und dann die Winterstürme dem Wonnemond so einschmeichelnd melodiös weichen, bis schließlich das Wälsungenblut erblüht. Und obgleich von der Sympathie und Erwartung des Chemnitzer Publikums getragen, gelingt es Felix Bender, dem ersten Kapellmeister der wagnerversierten Robert-Schumann-Philharmonie in diesem Akt nicht, in Richtung Leidenschaft gegenzusteuern. Die zerfällt ihm unter der Hand. Zu sehr zerdehnt findet er nicht zu dem Drive, mit dem gerade dieser menschelnde Akt begeistern kann.

Die Bühne von Claudia Weinhart wird von einer Brutalogotik beherrscht, in deren Gewölbe sich vor allem Siegmund und Sieglinde (Christiane Kohl) verlieren. Obwohl der Siegmund Zoltán Nyári all seine Trompetentöne für die Wälse-Rufe aufhebt - hier wird er nicht mit dem Schwert belohnt. Und der kompensatorische Griff in den Schritt? Na ja. Es bleibt beim exzessiven Spiel mit dem transparenten Vorhang. Mal auf, mal zu. Am Ende soll man sich beim Hantieren mit der Gardine sogar die Waberlohe vorstellen, die Brünnhilde vor männlichem Zugriff schützen soll. Gardine statt Feuer ist nicht weiblich. Das ist nur szenischer Magerquark.

Da nützt es auch nichts, wenn Wotan bei seinem Abgang gemessenen Schrittes einem imaginierten Klein-Siegfried begegnet. Wenn (auch) ihm schon sein Speer vorenthalten wird. Szenisch bleibt der Bezug auf die Vater-Kind(er) Beziehung eher Behauptung als wirklich tragender Ansatz. Im zweiten und dritten Akt findet immerhin Bender mehr in einen Walküremodus, der auch mit Leidenschaft packt. Auch wird mit etlichen stimmlichen Pfunden gewuchert.

Keine Überraschung ist die Fricka von Monika Bohinec, die schon im »Rheingold« imponierte. Sehr wohl aber die Brünnhilde von Dara Hobbs. Mühelos bietet sie Großformatiges - auf ihre Götterdämmerungs-Brünnhilde darf man sich jetzt schon freuen. Magnus Piontek und Aris Argiris steuerten einen soliden Hunding und einen überzeugenden Wotan bei. Ganz weiblich: die Walküren. Die versammelten sich zwar im Stuhlhalbkreis zu einem Plauderstündchen, zogen aber vokal fulminant vom (Sattel-)Leder (ihrer Schlachtrösser). Am Ende: Beifall für Alle.

Oper Chemnitz. Nächste Aufführungen: 2. und 22. April.

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