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»Vernetzungscharakter«: Europas Neonazis zu Gast in Dortmund

Antifaschisten rechnen mit 500 internationalen rechtsradikalen Aktivisten

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist kein Zufall, dass sich an diesem Samstag Neonazis aus ganz Europa in Dortmund treffen. Unter dem Motto »Europa erwache« wollen sie sich um 13 Uhr am Hauptbahnhof treffen. In der Stadt, die gerne als »Herzkammer der Sozialdemokratie« bezeichnet wird, gibt es seit den frühen 1980er Jahren eine gefestigte Neonazi-Szene. Der Generationenwechsel bei den Aktivisten, hat seitdem immer halbwegs gut funktioniert, sodass die Szene heute überall gut vernetzt ist.

Kampfsportler mit Verbindungen nach Russland, ein Rechtsrock-Sänger, der zwischenzeitlich in Schweden gelebt hat, Besuche bei Aufmärschen in Bulgarien, Ungarn und Griechenland. Die Dortmunder Nazis kennen ihre internationalen »Kameraden«. Auch das faschistische »Azov Battailon« aus der Ukraine warb in Dortmund schon um Freiwillige für den paramilitärischen Kampf im Donbass. Ein solcher Kampf in faschistischen Milizen hat in Dortmund eine Tradition. In den 1990ern kämpfte mindestens ein Neonazi aus Dortmund für eine kroatisch-nationalistische Söldnertruppe.

Nun wollen die Dortmunder Nazis europäische Faschisten in »ihre« Stadt holen. Der Bezug auf Europa mag im ersten Moment ungewöhnlich erscheinen, er ist es aber nicht. Die rechtsradikalen Aktivisten setzten auf ein Europa der weißen Völker, in dem jede Nation ihren Platz habe. Die Europäische Union und Migration zerstören nach Ansicht der Neonazis dieses Europa. Konzeptionell unterscheiden sich die Neonazis damit übrigens kaum von der »Identitären Bewegung«.

»Wir rechnen momentan mit rund 500 Neonazis, die Delegationen aus Europa werden wohl deutlich geringer ausfallen, als erwartet. Dennoch haben wir es hier weiterhin mit einem Naziaufmarsch mit europäischem Vernetzungscharakter zu tun,« sagt Lara Schwarz, vom »AK1404«, einen Zusammenschluss aus dem Antifa-Spektrum.

Die Neonazis hätten eine »öffentlichkeitswirksame Route« in der Innenstadt erhalten. Nazi-Aufmärsche, von denen es in Dortmund in jedem Jahr einen größeren gibt, finden sonst meist in Außenbezirken statt. Diesmal dürfen die Nazis jedoch zentral durch die Stadt laufen. Für antifaschistische Proteste sind das nicht unbedingt schlechte Voraussetzungen, »Wir werden diesen Umstand auch als Chance begreifen, den Aufmarsch möglichst effektiv zu stören und so unsere Kritik an Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus auf der Straße praktisch werden zu lassen,« so Lara Schwarz.

Für Samstag ruft der Antifa-Zusammenschluss dazu auf, sich dem Bündnis »BlockaDO« anzuschließen. Der Zusammenschluss, dem unter anderem Linkspartei, Grüne und Antifaschisten angehören, hat am Samstag eine Kundgebung unmittelbar an der Wegstrecke der Rechten angemeldet. Ziel von »BlockaDO« ist es Neonazi-Aufmärsche mit Mitteln des zivilen Ungehorsams zu verhindern. Das hat man in Dortmund zwar noch nicht geschafft, das Bündnis konnte in der Vergangenheit aber mit Sitzblockaden empfindlich stören und Aufmärsche verzögern. Eine dritte Demonstration gegen den Naziaufmarsch wird vom »Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus« veranstaltet. Das bürgerliche Bündnis feiert ein Europa-Fest und will anschließend eine Demonstration in »Sicht- und Hörweite« der Neonazis veranstalten.

Diese Spaltung des Gegenprotests wird vermutlich auch am Samstag wieder dazu führen, dass die Neonazis weitgehend unbehindert durch die Stadt marschieren können. Aktive Antifaschisten kritisieren seit Jahren, dass Teile der Zivilgesellschaft, die sich selbst gerne als »Hauptstadt des Widerstands« darstellen, nicht dazu bereit sind, sich den Neonazis direkt in den Weg zu stellen. Damit ist wohl auch am Samstag nicht zu rechnen.

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