Keine Ausbildung für Mehmet

Die Bundesbildungsministerin will die Probleme von Menschen mit Migrationshintergrund nicht sehen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz sind so gut wie lange nicht«, freute sich die neue Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Vorstellung des aktuellen Berufsbildungsberichts, der zuvor am Mittwochmorgen vom Bundeskabinett beschlossen worden war. Auf 100 Bewerber kämen demnach 105 Ausbildungsplätze, so die Ministerin.

Laut Bericht ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr leicht auf über 520 000 gestiegen, dabei bildet weniger als jeder fünfte Betrieb aus. Den 49 000 unbesetzt gebliebenen betrieblichen Ausbildungsstellen standen rund 24 000 unversorgte Bewerber gegenüber. Knapp 10 000 Geflüchtete begannen bis zum Beginn des Berufsschuljahres eine Lehre.

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Die Ministerin warb am Mittwoch für das »Erfolgsmodell« duale Ausbildung. Der ministerielle Zweckoptimismus kann nicht über die gewaltigen Problem des Modells hinwegtäuschen. So sorgt nicht nur der demografische Wandel dafür, dass Betriebe Probleme haben, geeignete Azubis zu finden. Immer öfter entscheiden sich Jugendliche gegen eine Ausbildung und nehmen stattdessen ein Studium auf. »Wir arbeiten entschlossen daran, die Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Bildung zu erreichen«, betonte Karliczek und verwies auf die vielen Programme zur »Stärkung der Berufsbildung«.

Die jüngst vermeldete hohe Abbrecherquote von mehr als 25 Prozent ist für die Minister kein Beleg für die Unattraktivität der Ausbildung. In einigen Branchen ist die Quote noch höher. Jeder Zweite, der Koch, Restaurantfachkraft oder Friseur werden wollte, schmiss vor der Abschlussprüfung hin. Die Gewerkschaft NGG warnt, dass die Branche ihren Fachkräftemangel nur beheben könne, »wenn ihre Betriebe in die Qualität der Ausbildung investieren«.

Doch Karliczek wimmelte ab: Bei den Abbrecherquoten handele es sich »um vorzeitige Vertragslösungen«. In etwa der Hälfte der Fälle lösten junge Menschen den Vertrag, um ihre Lehre an anderer Stelle oder in einem anderen Beruf fortzusetzen, so Karliczek. Die Quote der »echten Ausbildungsabbrüche« liege bei etwa 12 bis 13 Prozent und damit unter der Quote an den Hochschulen.

Nur am Rande erwähnte die Ministerin am Mittwoch die deutlich schlechteren Ausbildungschancen von Menschen mit Migrationshintergrund. Diese müssten »noch stärker in die Berufsbildung integriert werden«. Ein Blick in den Bericht zeigt: Die Probleme sind gewaltig und beginnen schon in der Schule. Demnach verlassen junge Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit mehr als doppelt so häufig die Schule ohne Abschluss als Gleichaltrige mit deutscher Staatsangehörigkeit. Zudem sind Schulabschlüsse ausländischer Jugendlicher »insgesamt niedriger als die der deutschen Jugendlichen«. Das deckt sich mit den Zahlen der im März veröffentlichen PISA-Studie, wonach knapp die Hälfte aller 15-Jährigen mit Migrationshintergrund in Deutschland »sehr schwache Schulleistungen« zeigt.

Und auch die Ausbildungsanfängerquote junger Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit lag 2016 »mit 27,6 Prozent deutlich unter der junger Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit (55,8 Prozent)«, heißt es dazu im Bericht. Insbesondere Jugendliche türkischer oder arabischer Herkunft hätten große Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Als mögliche Gründe nennen die Autoren neben den ungünstigeren schulischen Voraussetzungen auch mangelnde Deutschkenntnisse oder »die Selektionsprozesse der Betriebe«. Sprich: Bewerber mit türkisch oder arabisch klingenden Namen haben lädt man seltener zum Vorstellungsgespräch.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte am Mittwoch eine gesetzliche Ausbildungsgarantie. Mehr als 2,1 Millionen junge Erwachsene hätten 2017 keinen Berufsabschluss gehabt. »Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal«, sagte GEW-Vorstandsmitglied Ansgar Klinger.

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