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»Ich hatte mir nichts vorzuwerfen«

Nordrhein-Westfalen: Duisburgs Ex-Oberbürgermeister sagt im Loveparade-Prozess aus

  • Lesedauer: 3 Min.

Düsseldorf. Sein Umgang mit der Loveparade-Katastrophe von Duisburg kostete ihn das Amt: Der frühere Oberbürgermeister von Duisburg, Adolf Sauerland, soll am Freitag im Loveparade-Prozess zum ersten Mal als Zeuge aussagen. Am 2. Mai will das Landgericht Duisburg dann die Vernehmung des 62-Jährigen fortsetzen.

Der CDU-Politiker war als OB nach der tödlichen Massenpanik 2010 stark in die Kritik geraten, weil er nicht die politische Verantwortung für das Unglück übernehmen wollte. Im Februar 2012 stimmten die Duisburger in einem Bürgerbegehren mit großer Mehrheit für seine Abwahl. Der Lokalpolitiker, der seit 2004 Oberbürgermeister war, zog sich anschließend aus der Öffentlichkeit weitgehend zurück.

Erst 2016 äußerte er sich erstmals öffentlich zum Loveparade-Unglück - und räumte Fehler ein. Nach der Katastrophe 2010 habe er sich bemüht, keine juristischen Fehler zu machen, und dabei »das Mitgefühl für die Angehörigen« vergessen, sagte Sauerland dem »Zeit-Magazin« und dem WDR-Fernsehen in einem Interview. »Wahrscheinlich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen.«

Auch juristisch fühlte sich Sauerland nicht verantwortlich, zumal ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten das ebenso sah. »Man suchte jemanden, den man zur Verantwortung ziehen konnte, dem man die Schuld zuweisen konnte, hinter dem man sich verstecken konnte, und das war ich«, sagte Sauerland in dem Interview. »Zurückzutreten, das wäre für mich eine Flucht gewesen. Sollte wirklich etwas juristisch falsch gelaufen sein, zum Beispiel bei der Genehmigung, dann kann man politische Verantwortung verlangen. Aber ich hatte mir nichts vorzuwerfen.«

Der CDU-Mann und ehemalige Berufsschullehrer war 2004 in der lange SPD-geprägten Industriestadt überraschend an die Macht gekommen. Er brachte auch nach Meinung von Kritikern frischen Wind in die Stadt und Fortschritte beim Strukturwandel - etwa bei der Entwicklung des Duisburger Innenhafens. In den schwersten Stunden als Stadtoberhaupt nach der Loveparade mit 21 Toten versagte er nach allgemeiner Einschätzung aber. Dafür wählten die Bürger ihn mit einer unerwartet klaren Mehrheit ab.

Er sei aus deren Sicht derjenige gewesen, der die Loveparade gewollt habe und der für die 21 Toten verantwortlich sei, sagte Sauerland im Interview, betonte aber: »Ich selbst wollte so eine Veranstaltung nie in Duisburg haben! Und das wussten alle, der ganze Rat.« Sauerland arbeitete nach seiner Abwahl im Reisebüro seiner Frau. Eine Anfrage dazu, ob er dies auch gegenwärtig noch tue, blieb zunächst unbeantwortet.

Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg gab es am einzigen Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände ein so großes Gedränge, dass 21 Menschen erdrückt und mindestens 652 verletzt wurden. Der Prozess vor dem Landgericht Duisburg gegen sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Beschäftigte des Veranstalters Lopavent hatte im Dezember begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem fahrlässige Tötung vor. Aus Platzgründen findet der Prozess in einer Kongresshalle in Düsseldorf statt.

Auch die Termine für die Aussage des Inhabers der Loveparade-Veranstalterin Lopavent stehen jetzt fest. Der Fitness-Unternehmer Rainer Schaller soll ab dem 22. Mai befragt werden. dpa/nd

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