Was ist Unterschied zwischen Trump und Zeman?

Jaroslav Rudiš: Der tschechische Schriftsteller spielt in den Geschichten seines neuen Bandes mit der deutschen Sprache

  • Reiner Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Jaroslav Rudiš, geboren 1972, ist hierzulande kein Unbekannter mehr. Seine Romane »Grandhotel« (2008), »Die Stille in Prag« (2012), »Vom Ende des Punks in Helsinki« (2014), »Nationalstraße« (2016) sowie die Graphic Novel »Alois Nebel« (2012), die auch erfolgreich verfilmt wurde, fanden breite Aufmerksamkeit. Und nun ein außergewöhnlicher Band mit Kurzprosa, die der tschechische Schriftsteller sogar erstmals in deutscher Sprache schrieb.

Die acht Texte könnten unterschiedlicher nicht sein. Manche ähneln in ihrer Skurrilität und Absurdität den Dramen von Samuel Beckett. Da will jemand zum Beispiel einem anderen die »Gitarre stimmen«, das Problem ist nur, dass derjenige gar nicht so ein Instrument besitzt.

Oft ist der Autor in den Dialogpassagen alltäglichen Befindlichkeiten tschechischer Bürger derart konkret auf der Spur, dass man sich als Leser förmlich in die Dispute hineingezogen fühlt. Mit unmissverständlichen politischen Statements wird dabei nicht gespart.

So wird ein Mann namens Jaro im Zug nach Tessin mehrmals von seinem Prager Freund Max angerufen, aber die Gespräche werden immer wieder durch Tonlöcher in Tunneln unterbrochen, sodass die Gesprächsfetzen surreale Gestalt annehmen. Max beabsichtigt, nach Polen auszuwandern und unter Wisenten zu leben. Aber wird das ohne tschechisches Bier möglich sein? Bald gibt der Akku des Handys den Geist auf ...

Kontrastprogramm dazu ist der Dialog zwischen Max und Jaro in der Erzählung »Nach Prag«: In der Kneipe »Zum ausgeschossenen Auge« leben die Gäste von hübschen Erinnerungen an die Zeit unmittelbar nach 1989 und an den Präsidenten Václav Havel, dessen Bild an der Wand noch Kultstatus besitzt. Aber gegenwärtig gehe alles den Bach runter, heißt es. Trump pöbelt in Amerika, die kleinen Trumps in Europa. Einer throne gar in Prag auf der Burg. Wobei der Unterschied zwischen Trump und Zeman, dem gerade wiedergewählten Staatspräsidenten, lediglich darin bestehe, dass Letzterer trinkt und raucht. Aber weil die Tschechen in der Europäischen Union sind, gehe es ihnen bislang gut, und sie wären verloren, würden sie aus diesem Verbund austreten.

Die Titelgeschichte zeichnet den Besuch eines Herrn Horvath bei einem Herrn Gross in Bayern nach, wobei beide zu ihren Heimatländern Ungarn bzw. Böhmen noch eine enge Beziehung haben. Aber die Angst vor einem möglichen Hausbrand ist stärker als die Freude über die herrliche Aussicht aus dem vierten Stockwerk. Trifft man sich eines Tages wieder?

In »Nach Schweden« ist Kumpel Max plötzlich auf dem Trip, Bahnübergänge in Skandinavien statt Bisons in Polen wunderbar zu finden, doch das schwedische Bier wäre ein echtes Hindernis für diesen Plan.

Der Dialog zwischen Saunabesuchern unterschiedlichen Alters und verschiedener beruflicher Herkunft im »Böhmischen Paradies« endet damit, dass einem Mann, »bald Rentner«, eine göttliche Zukunft versprochen wird, denn das von seiner Frau bereits bezahlte Grab, die schon besorgte Urne, der Rollstuhl und die in Aussicht gestellte hübsche Pflegerin verheißen doch eine gute Perspektive für die letzten Lebensjahre.

Die Texte leben von den Aussparungen, dem Nicht-Gesagten. Bei allem Sarkasmus stellt sich heitere Gelassenheit beim Lesen und Betrachten ein, denn die zwölf Holzschnitte von Christian Thanhäuser zielen auf Verweilen.

Jaroslav Rudiš: Der Besuch von Herrn Horvath. Edition Thanhäuser. 76 S., geb., 24 €.

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