Für die Pflege fehlt eine ganze Generation

Ein kompletter Jahrgang Schulabgänger müsste einen Pflegeberuf erlernen, um die Versorgungslücke zu schließen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Fragen und Sorgen im Pflegebereich werden größer, und die Politik hat noch keine befriedigende Antwort gefunden. »Wir tun das in diesem Jahr schon zum dritten Mal«, sagte die Landtagsabgeordnete Bettina Fortunato (LINKE), als der Landtag Ende vergangener Woche erneut über den Pflegenotstand diskutierte, der auch in Brandenburg allenthalben spürbar ist. Angesichts der fehlenden Fachkräfte sei auf Dauer ein »Kollaps der Sozialversicherungssysteme« zu befürchten. Hier solle die Landespolitik Probleme lösen, die der Bund aussitze, erklärte Fortunato. Da in Deutschland 100 000 Pflegekräfte fehlen, sei die Ankündigung der neuen Bundesregierung, 8000 Stellen zu schaffen, »ein Witz«.

Inzwischen »buhlen« viele Branchen um die wenigen Schulabgänger, weiß die Landtagsabgeordnete Roswitha Schier (CDU). »Uns fehlt eine ganze Generation«, bemerkte sie in Anspielung auf den Geburtenknick nach der Wende 1989/90. Es gibt 40 Prozent weniger Schulabgänger als damals. Doch es müssen derzeit in Brandenburg 112 000 Pflegefälle betreut werden und in nicht mehr ferner Zukunft sogar 175 000.

Fachleute haben ausgerechnet, dass ein kompletter Jahrgang Schulabgänger einen Pflegeberuf ergreifen müsste, um die drohende Versorgungslücke einigermaßen schließen zu können. Derzeit sind allein in Brandenburg rund 1500 Ausbildungsplätze im Pflegebereich unbesetzt.

Schier wies auf die Bedeutung eines guten Betriebsklimas und einer angemessenen Vergütung hin. Doch bei einer chronischen personelle Unterbesetzung kommt es zu einer beständigen Überlastung. Das zermürbt die verbleibenden Fachkräfte. Tatsächlich wechseln viele Pflegekräfte nach wenigen Berufsjahren die Tätigkeit, weil ihnen andere Jobs ein leichteres Leben versprechen. Einer alleinerziehenden Pflegerin, die Schichtarbeit leiste, nütze das beitragsfreie Kitajahr gar nichts, wenn sie ihr Kind nicht auch zu ungewöhnlichen Tageszeiten in guter Betreuung wisse, mahnte Schier.

Die SPD-Abgeordnete Sylvia Lehmann forderte, dass die Pflege im Alter »nicht zum finanziellen Risiko« für die Senioren und ihre Angehörigen werden dürfe. Pflegeheime haben aber die Eigenanteile teils drastisch und sprunghaft erhöht und dies mit den Ergebnissen von Tarifverhandlungen begründet. Sicher könne das Land ein wenig lindern, indem es die Ausbildungskosten für die Pflegeeinrichtungen übernimmt, die eigentlich auch den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Doch das wäre laut Lehmann nur ein geringer Prozentsatz der finanziellen Gesamtforderungen, mit denen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen konfrontiert seien. Lehmann richtete ihre Erwartung an die Bundesregierung. »Aus ihrer Verantwortung dürfen wir sie nicht entlassen, aus dieser Nummer kommen sie nicht heraus.«

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