Armee hat Schäden nicht bezahlt

Straßen nach Manöver nur so weit repariert, wie es die Verkehrssicherheit erforderte

Waffen richten Zerstörungen an. Dafür sind sie konstruiert. Doch Panzer müssen dazu nicht einmal ihre Kanonen abfeuern. Es reicht schon, wenn die schweren Kolosse mit ihren Ketten durch die Gegend fahren und sich in Kurven drehen. Weil das so ist, nutzt die Bundeswehr für Truppentransporte in der Regel die Eisenbahn. Die Panzersoldaten sollen für den Ernstfall jedoch auch üben, im Konvoi über Straßen vorzurücken. Dabei sind Schäden beinahe unvermeidlich. Deshalb zieht sie über kurze Strecken mit Panzern auch über Straßen.

»Ich bleibe dabei: Die Bundeswehr sollte künftig andere Transportwege für ihre Truppenverlegungen nutzen«, sagt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE). Die hohen Kosten der Beseitigung der Schäden und auch der damit verbundene Aufwand zeigen ihrer Meinung nach deutlich: »Panzer gehören nicht auf öffentliche Straßen!«

Im Juni 2015 hatte die Bundeswehr bei einem Manöver etwa 180 Fahrzeuge durch das Havelland in die Colbitz-Letzlinger Heide rollen lassen, darunter vor allem Schützenpanzer, deren Ketten auf verschiedenen Bundes- und Landesstraßen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt erhebliche Verwüstungen anrichteten. Kostenpunkt: 100 000 Euro. Nur einige Monate zuvor, im November 2014, waren bei einer Nachtübung mit 40 Leopard-2-Panzern nachts Ortsdurchfahrten an der B 5 demoliert worden. Dabei hatten die Panzer Bordsteinkanten regelrecht zermahlen.

Die Bundeswehr hätte also im Sommer 2015 genau wissen müssen, was sie da anrichtet. Das wusste sie auch. Denn bereits nach dem ersten Vorfall hatte sich das dafür verantwortliche Panzerbataillon 203 entschuldigt. »Ich kann den Ärger in einem gewissen Maße nachvollziehen, und es tut uns leid, was da passiert ist«, zitierte die »Märkische Allgemeine« einen Presseoffizier. Doch solche Verlegungsmärsche gehörten nun einmal zum Ausbildungsplan der Soldaten und seien unverzichtbar. »Die Ortsdurchfahrten waren Zweck der Übung, und die Soldaten haben sich alle Mühe gegeben, die Schäden so gering wie möglich zu halten, auch wenn es nicht so aussehen mag.« Aber eine Verkehrsinsel und ein Kreisverkehr seien für einen Panzer schwer zu passieren. »Niemand fährt mit Absicht Straßen kaputt. Aber wenn die Panzer in Gefechtsgeschwindigkeit gefahren wären, hätten die Dörfer ganz anders ausgesehen«, erklärte der Presseoffizier. Er stellte einen finanziellen Ausgleich in Aussicht.

Vor dem Manöver im Sommer 2015 hatte die Truppe Auflagen bekommen. Neben einer Begleitung durch Feldjäger und Polizei zählte dazu, vorher zu prüfen, ob die Fahrbahnbreite jeweils ausreicht und ob die Schützenpanzer durch enge Kreisverkehre hindurch kommen. Verkehrsinseln und Bordsteinkanten sollten geschützt werden, gegebenenfalls durch das Auslegen von Schutzmatten aus Stahl. Gefahren werden sollte »mit größter Vorsicht und in angemessener Geschwindigkeit«, um nichts kaputt zu machen. Nachher hieß es aber aus dem Infrastrukturministerium: »Die Auflagen wurden nicht vollständig eingehalten.« Die Straßenmeistereien registrierten Schäden. Auch wich der Konvoi den Angaben zufolge von der genehmigten Strecke ab.

Beinahe unglaublich ist, was nun durch eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Johlige herauskam. Drei Jahre nach dem zweiten Vorfall sind die Schäden immer noch nicht komplett behoben. Eigentlich sollte dies bereits im zweiten Halbjahr 2016 erledigt sein. Zunächst war jedoch nur repariert worden, was wegen der Verkehrssicherheit keinen Aufschub duldete. Immerhin gibt es mittlerweile Ausschreibungsunterlagen. Allerdings liegt zu den Instandsetzungsarbeiten noch keine unterzeichnete Vereinbarung des Landesbetriebs Straßenwesen und der betroffenen Gemeinden mit der Bundeswehr vor, erklärt Johlige. Das hat sie von Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) erfahren. Folglich habe die Armee auch noch nicht bezahlt, sagt Johlige. Laut Kostenschätzung geht es um rund 540 000 Euro. »Die genauen Kosten der Schadensbeseitigung können erst nach Abschluss aller Maßnahmen benannt werden«, erklärt Ministerin Schneider. Seite 9

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