Schöne Wege werden kürzer

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

»Misstraut den Grünanlagen«, warnte der Publizist Heinz Knobloch. Denn Grünanlagen bedecken auf gefällige Weise Wunden. Wunden, die beispielsweise der Krieg riss. Die Absicht des diesjährigen brandenburgischen Innenstadtwettbewerbs - die Preise wurden am Mittwoch im Potsdamer Alten Rathaus verliehen - , ist eine andere. »Urbanes Grün ist relevant für die Innenstädte«, unterstrich der Juryvorsitzende Carlo Becker.

Einen Sonderpreis erhielt die aus Costa Rica stammende Eleanora Terrelonge-Griffith de France. Sie habe - zum Teil mit eigenem Geld - für ein besseres Erscheinungsbild des Potsdamer Luisenplatzes einen täglichen Kampf gegen Gedankenlosigkeit und Desinteresse geführt, hieß es in der Laudatio. Schließlich habe sie für ihr Anliegen auch die Unterstützung der Stadt und Mittel aus anderen Quellen gewinnen können.

Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) verwies auf 94 Millionen Euro, die derzeit jährlich für die Stadtentwicklung in Brandenburg zur Verfügung stehen. »Besser wird’s nicht.« Weil noch ein Drittel dieser Summe als kommunaler Beitrag hinzukomme, könnten die Städte nun Brachen und Altlasten beseitigen.

Draußen entsteht derweil gleich neben dem Rathaus ein Hochbau auf einer einst unbebauten Fläche. In Potsdam verschwanden nach der Wende jede Menge Grünflächen, Verwertungsobjekte in begehrter Lage sind für zahlungskräftige Mieter gedacht. Auch der einst grüne Hang des Brauhausbergs wird demnächst eine einzige Steinwüste sein. Anders in den berlinfernen Territorien. Dort muss mit überflüssigen Bauten umgegangen werden. Manchmal entstehen dort Grünflächen.

Einen Preis erhielt das Projekt »Neuer Blumenplatz« in Eberswalde, wo durch bürgerschaftliches Engagement ein kleiner Stadtteilpark nun die Anwohner erfreut. Die Zusammenarbeit der Stadtverwaltung Frankfurt (Oder) mit der Wohnungswirtschaft beim »Grünen Quartier der Zukunft« war der Jury ebenfalls einen Preis wert, genauso wie der neue Klostergarten in Jüterbog, wo Anwohner die Pflege einzelner Beete übernommen haben. Die Stadt Velten wurde ausgezeichnet für ihr Projekt »Grüne Stadt der kurzen Wege«.

»Schöne Wege sind kürzer«, sagte Sabine Slapa vom Unternehmen »Raumplaner«, das den Innenstadtwettbewerb betreut hat. 31 Einsendungen gab es. Kommunen, Vereine, Unternehmensverbünde, Bürgerinitiativen und Privatpersonen bewarben sich.

Mit einem der sieben Preise nach Hause fahren konnte die Bürgerinitiative Lennépark, die in Frankfurt (Oder) den zweitältesten Bürgerpark Deutschlands unter dem Aspekt »gesunde Umwelt« in eine Oase verwandelte, wie Slapa sagte. Unter dem Motto »Schule schafft Vorgarten« gestaltete die Oberschule Wittenberge ihr Umfeld und integrierte darin eine Gedenkstätte für ein KZ-Außenlager.

Es gehe darum, eine graue Infrastruktur grün zu machen, meinte der Jurychef Becker. Er verwies auf Kurt Tucholskys Gedicht »Das Ideal«, wonach sich jeder eine Wohnung wünsche: Nach vorne raus die Ostsee, nach hinten raus die Friedrichstraße, der Blick frei zur Zugspitze, der Weg zum Kino nicht weit. Jede Entscheidung im Städtebau hat ihr Für und Wider. So ist der Marktplatz in Angermüde heute schön gestaltet. Autos parken dort nicht mehr. Aber wo parken sie jetzt?

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