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Drastische Sozialkürzung in Österreich

Rechtsregierung nimmt die Ärmsten ins Visier

  • Michael Bonvalot, wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Mindestsicherung ist die unterste Absicherung für Menschen in Österreich. Im Jahr 2016 gab es knapp über 300 000 Bezieher bei einer Gesamtbevölkerung von rund 8,7 Millionen Menschen. Die Regierungsparteien Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), haben nun angekündigt, diese Absicherung dramatisch zu kürzen.

Die Höhe der Mindestsicherung ist derzeit Sache der Länder. Aktuell hat etwa in Wien eine allein lebende Person Anspruch auf 863,04 Euro pro Monat. Für ein Paar sind es nur noch 1294,56 Euro. Für ein minderjähriges Kind kommen 233,02 Euro dazu. Vor dem Bezug müssen Ersparnisse aufgelöst werden. Ebenfalls nicht erlaubt ist es in den meisten Fällen, dazuzuverdienen. Seit 2016 kürzen die Länder immer wieder bei der Mindestsicherung. Als Argument mussten geflüchtete Menschen herhalten, doch real waren genauso Familien betroffen. Denn unabhängig von der Anzahl der Kinder sollten in vielen Fällen nur noch 1500 Euro ausbezahlt werden. Die Verschlechterungen in Niederösterreich wurden im März 2018 sogar vom Verfassungsgericht aufgehoben.

Familien erhalten weniger Geld

Nun möchte die Regierung eine neue bundesweite Regelung durchziehen. Öffentlich behaupten ÖVP und FPÖ, dass sie vor allem Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollen. Doch tatsächlich würden auch Familien mit Kindern eindeutig zu den Verlierern zählen. Für das erste Kind soll es nur noch 25 Prozent der Leistung geben, für das zweite 15 Prozent und ab dem dritten Kind gerade noch fünf Prozent.

Laut dem Netzwerk Armutskonferenz würden Familien bereits ab dem ersten Kind weniger Geld erhalten als bisher. Auch Alleinerziehende würden in mehreren Bundesländern weniger Geld bekommen. Martin Schenk von der Armutskonferenz hält etwa den angekündigten Wegfall der Mietzuschüsse für eine »Katastrophe«. »Was passiert dann mit den Leuten? Die können ja massenweise delogiert werden«, sagt Schenk gegenüber der Presseagentur APA.

Ebenfalls betroffen von der Neuregelung wären Menschen ohne Pflichtschulabschluss. Teil der neuen Mindestsicherung soll ein sogenannter »Arbeitsqualifizierungsbonus« sein. Der beträgt 300 Euro, ohne Schulabschluss würde diese Summe nicht ausbezahlt. Noch unklar ist laut Tageszeitung »Heute«, ob Menschen nach der Entlassung aus der Haft Anspruch auf Mindestsicherung haben. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass diese Menschen sofort wieder in die Kriminalität abrutschen.

Ohne Sprachtest keine Mindestsicherung

Schließlich gibt es mehrere Regelungen, die auf Personen mit Migrationshintergrund abzielen. So soll es die Mindestsicherung künftig erst geben, wenn Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 nachgewiesen werden können. Dazu braucht es mindestens ein Jahr, real kann es weit länger dauern. So sagt etwa Verena Plutzar vom Netzwerk SprachenRechte gegenüber dem »Kurier«, dass »auch ein beträchtlicher Prozentsatz jener Menschen in Österreich, die Deutsch als Erstsprache verwenden«, die Prüfung nicht schaffen würde. Ein großer Teil der bisherigen Bezieher der Mindestsicherung hätte durch die neue Regelung Verluste, manche würden buchstäblich künftig keinen Cent Unterstützung mehr erhalten. Wovon diese Menschen leben sollen, hat die Regierung in ihren Pressekonferenzen bisher nicht erklärt.

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