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  • Regierungswechsel in Spanien

Schwache Minderheitsregierung

Spaniens neuer Premier stellt sein Kabinett vor und sendet negative Signale nach Barcelona

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Am späten Mittwochnachmittag hat der neue spanische Regierungschef dem König seine Regierungsmannschaft vorgestellt. Es war schon im Vorfeld klar, dass der Sozialdemokrat der PSOE, Pedro Sánchez, einen halsbrecherischen Versuch starten würde, mit nur 84 von 350 Parlamentariern eine Minderheitsregierung zu führen, die auf knapp 23 Prozent der Wähler bauen kann. Das Drängen der Linkspartei Podemos, die Basis in einer Koalition um 13,5 Prozent zu verbreitern, hat er ignoriert. Nicht ein Kabinettsmitglied wird aus dem Umfeld der Linkspartei kommen.

Die bis zum Redaktionsschluss bestätigten Posten zeigen an, dass Sánchez - wohl auch angesichts der starken feministischen Bewegung, die am 8. März massiv gestreikt hatte - einem weiblichen Kabinett vorstehen wird. Von zwölf bestätigten Ministerposten werden neun von Frauen besetzt und bisher nur drei von Männern. Sánchez ernennt nur eine Vize. Das wird mit Carmen Calvo die Ministerin für das erneuerte Gleichstellungsministerium sein, das die konservativen Vorgänger von der Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy 2011 geschleift hatten. Die Rajoy-Regierung wurde vergangene Woche über einen Misstrauensantrag geschasst. Zuvor war mit der PP erstmals eine Partei wegen Korruption verurteilt worden.

Eine Überraschung war, dass nicht die bisherige PSOE-Sprecherin und angesehene Juristin Margarita Robles Justizministerin wurde. Ob die enge Sánchez-Vertraute stattdessen Innenministerin wird, blieb bisher unbestätigt. Justizministerin wird Dolores Delgado, Staatsanwältin mit Schwerpunkt islamistischer Terrorismus und Korruption. Bekannt wurde sie, weil sie gegen die Auslieferung des Datendiebs Hervé Falciani an die Schweiz plädiert hatte, mit dessen Daten viele Steuerhinterzieher aufgedeckt wurden. Der frühere baskische Regierungschef Patxi López ist nicht im Kabinett, doch hat Sánchez dessen frühere Bildungsministerin Isabel Celaá auf diesen Posten gehoben.

Eine zentrale Aufgabe kommt Meritxell Batet als Ministerin für territoriale Verwaltung zu, denn die Katalanin muss sich mit dem Konflikt in ihrer Heimat beschäftigen. Ein Schock war für die katalanische Regierung, dass Josep Borrell Außenminister wird. Für Regierungschef Quim Torra ist das »keine schlechte, sondern eine fatale Nachricht«, wie er sagte. Obwohl Sánchez angekündigt hatte, »immer einen Konsens vor eine Zuspitzung« zu setzen, ist Borrell nicht die einzige negative Geste an Barcelona. Sánchez will auch die Finanzkontrolle über Katalonien aufrechterhalten, obwohl mit der katalanischen Regierungsbildung die spanische Zwangsverwaltung automatisch gefallen ist.

Borrell ist ein rotes Tuch für die Unabhängigkeitsbewegung, denn der 71-Jährige ist Mitglied der selbst ernannten »Katalanischen Zivilgesellschaft« (SCC). Die wurde von der identitären rechten Formation »Somatemps« gegründet, wie der Gründer der spanisch-ultranationalistischen Organisation Javier Barraycoa einräumt. »Somatemps« steht zum Beispiel der Goldenen Morgenröte in Griechenland und anderen faschistischen Organisationen in Europa nahe, und bei SCC-Demonstrationen sind stets Altnazis und Neonazis anwesend. Im Stil dieser Klientel spricht auch Borrell von einer »Krankheit« in Katalonien, weshalb das Land »gut desinfiziert« werden müsse.

Die sehr schwache Minderheitsregierung in Madrid wird es schwer haben. Etwas Raum bekommt Sánchez zunächst, da Rajoys PP erst einmal die Führung regeln muss. Rajoy hat am Dienstag seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Trotz allem kündigt neben den rechten Ciudadanos (Bürger) auch die PP eine sehr harte Opposition an. Der PP-Sprecher Rafael Hernando spricht von »Betrug« und einer »illegitimen Regierung«, weil Sánchez nicht über Wahlen an die Macht gekommen ist - andere Parteiführer sprechen sogar von einem »Putsch«.

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