Kim und Trump in Singapur

Historischer Atomgipfel der politisch Unberechenbaren

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Es machte den Eindruck, als wäre Donald Trump am Wochenende regelrecht aus dem kanadischen La Malbaie Richtung Singapur geflüchtet, hin zum ihm viel genehmeren Gipfel am Dienstag. Allerdings war Gipfelpartner Kim Jong Un mit einer Maschine der chinesischen Fluglinie Air China auf seiner bislang weiteste Auslandsreise seit der Machtübernahme 2011 schneller. Singapurs Außenminister Vivian Balakrishnan begrüßte den nordkoreanischen Machthaber samt einer großen Delegationschon am Sonntagvormittag am Flughafen Changi und veröffentlichte ein Foto der Begegnung auf Twitter. Da stand Trumps Air Force One nach einer Zwischenlandung noch auf Kreta. Als er dann einschwebte, hatte Kim schon mit Präsident Lee Hsien Loong gesprochen. Er bedankte sich, dass Singapur die Rolle des Gastgebers übernommen habe, und sagte: »Die ganze Welt schaut auf diesen historischen Gipfel zwischen Kim Jong Un und den Vereinigten Staaten von Amerika.« Der war beim G7-Treffen einer der wenigen Punkte der Agenda, bei dem Einigkeit herrschte.

Ganz in Trumps Sprache verlangten die sieben großen Wirtschaftsmächte des Westens von Pjöngjang, seine nuklearen Sprengköpfe und Raketen sowie alle entsprechenden Programme »vollständig, überprüfbar und unumkehrbar« zu liquidieren. Der »starke Druck« gegen Nordkorea einschließlich UN-Sanktionen müsse aufrechterhalten werden, bis Kim einlenkt. Zudem wurde Nordkorea aufgefordert, die Menschenrechte zu respektieren und umgehend die Frage von entführten Japanern zu klären - womit eigens eine Forderung von Gipfelteilnehmer Shinzo Abe, Japans Ministerpräsident, aufgenommen worden ist. In der Erklärung zum Abschluss des Gipfels würdigte man aber auch die jüngsten Entspannungsschritte Pjöngjangs. Das Dokument verweist auf den Teststopp für Atomwaffen und Raketen, die Gipfel zwischen Kim und Südkoreas Präsident Moon Jae In und sein Bekenntnis zur atomaren Abrüstung sowie die »offenbare Schließung« des Atomtestgeländes Punggye-ri. Doch nur eine Beseitigung aller Massenvernichtungswaffen könne »zu einer besseren Zukunft für alle Menschen auf der koreanischen Halbinsel und einer Chance auf Wohlstand für das Volk Nordkorea führen, die zulange gelitten haben.«

Trump hat den Gipfel als »einmalige Chance« für Kim Jong Un bezeichnet. Seine Reise nach Singapur sei eine »Mission des Friedens«, sagte er kurz vor seiner Abreise. »Diese Gelegenheit wird er nicht noch einmal haben.« Wie Nordkorea-Experte Rüdiger Frank am Wochenende erklärte, gehe es Kim »kurzfristig um die Beseitigung der Sanktionen«. Langfristig wolle er »den Abstand im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau zu Südkorea abbauen, um einen innerkoreanischen Wiedervereinigungsprozess dominieren zu können«, so der Leiter des Ostasieninstitut der Universität Wien. Was am Ende aber in Singapur unterschrieben wird, steht noch in den Sternen. Denn es ist ein Gipfel der Unberechenbaren, wie das Hin und Her der vergangenen Monate bis hin zu Trumps zwischenzeitlicher Absage des »historischen« Treffens und zuletzt auch sein Salto Mortale beim G7-Gipfel gezeigt haben. Mit Agenturen

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