Kaiser Wilhelm II. hat abgedankt

Ausstellung im Neuen Palais informiert über 1918 - das Ende der Monarchie in Deutschland

Auf der Toilette des Besucherzentrums im Potsdamer Park Sanssouci dudelt Musik, die an die Ära von König Friedrich II. erinnert. Ein paar Schritte weiter befestigt ein Mitarbeiter der Stiftung preußische Schlösser und Gärten (SPSG) ein Plakat mit einer historischen Bekanntmachung erheblich späteren Datums: »Der Kaiser hat abgedankt!« Reichskanzler Prinz Max von Baden erklärte am 9. November 1918, »seine Majestät« Wilhelm II. habe sich »entschlossen, dem Throne zu entsagen«.

Friedrich II., der die Sommermonate im von ihm so geliebten Schloss Sanssouci verbrachte , hatte nebenan von 1763 bis 1769 das protzige Neue Palais für seine Gäste errichten lassen. Diesen Palast wählte dann 1889 der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. als seine bevorzugte Residenz, die mit Fahrstuhl, Heizung und elektrischem Licht moderne Bequemlichkeit nachgerüstet bekam.

Hier nun zeigt die Schlösserstiftung ab Sonnabend bis zum 12. November die sehr spezielle Ausstellung »Kaiserdämmerung«, die sich damit befasst, wie der Mann seine bis dahin gezeigten Herrscherallüren aufgeben und ins Exil ins niederländische Haus Doorn ausweichen musste. Höchste Zeit war es. Der Erste Weltkrieg hatte mit Grabenkrieg und Giftgaseinsatz, mit Not und Elend, schon Millionen Menschen das Leben gekostet und dauerte immer noch an. Wilhelm II. trug zwar nicht die alleinige Verantwortung für Ausbruch und Fortgang des Kriegs, jedoch eine große Mitschuld. Das Kaiserreich hatte im Größenwahn seine Machtbasis zerstört, die Republik war überfällig. So wird das nicht geschildert in der Ausstellung, aber so war es.

Die Ausstellung umfasst 15 im Neuen Palais verteilte Stationen, auf die zwangsläufig auch Besucher stoßen, die das Schloss der beeindruckenden Architektur wegen besichtigen und eigentlich nicht wegen der Ereignisse von 1918 gekommen sind. Ins Zentrum der Betrachtung wird hier nicht die Novemberrevolution gerückt, sondern als Ausschnitt nur die Sicht der kaiserlichen Familie und ihrer Bediensteten auf das Geschehen. Das schaffe »Nähe«, meint der kommissarische SPSG-Generaldirektor Heinz Berg.

Wie es den Untertanen zur selben Zeit erging, bleibt aber keineswegs ausgespart. So weilte der Kaiser zwischen dem 2. und 29. Oktober 1918 ein letztes Mal in Potsdam. Er kam aus dem Hauptquartier an der Westfront im belgischen Spa und kehrte wieder nach Spa zurück, von wo aus er dann nach seinem Verzicht auf die Krone den Weg ins Exil antrat. Im Speisesaal ist heute im Rahmen der Ausstellung das Abendessen arrangiert, das Wilhelm II. am 29. Oktober mit Kaiserin Auguste Victoria und Prinz Oskar einnahm. Während das Volk hungerte - das Brot war bereits seit 1915 rationiert - gab es Fleisch, Kartoffeln mit Schwarzwurzeln, Salat und Obst. Obwohl die Propaganda den Eindruck erweckte, auch der Kaiser ertrage mit seinem Anhang tapfer Entbehrungen, litten die Hohenzollern im Krieg in Wirklichkeit keinen Mangel. Ihre Güter und Gärten lieferten, was gebraucht wurde. Die Hofdiener - 1915 waren es allein im Neuen Palais 167 Personen - sorgten für Annehmlichkeiten.

Die Ausstellungsbesucher dürfen hinter Türen schauen, die sonst verschlossen sind, und Leihgaben aus dem Haus Doorn sehen, die nach der Abdankung des Kaisers fortgeschafft worden sind, erläutert Samuel Wittwer, bei der Stiftung als Direktor für die Schlösser und Sammlungen zuständig.

So wurde 100 Jahre nach dem Abtransport der Schreibtisch des Monarchen in seinem alten Arbeitszimmer im Neuen Palais aufgestellt. Präsentiert werden auch drei Uniformen, darunter Wilhelms Waffenrock zur Paradeuniform des 2. Badischen Grenadierregiments. Zwei der drei Uniformen ließ sich Wilhelm erst 1929 und 1932 anfertigen. In eine der Uniformblusen ist innen eine Verstärkung eingenäht, damit der alternde Mann »immer Haltung bewahren konnte«, wie es heißt. Der Krieg war lange vorbei, die Insignien der Macht - Zepter, Reichsapfel und Helm - für immer verspielt. Doch Wilhelm glaubte bis ans Ende seiner Tage im Jahre 1941, er werde irgendwann auf den Thron zurückkehren. Er hoffte beispielsweise, Adolf Hitler werde ihn wieder als Kaiser einsetzen. Dass er Hitler zu seinen siegreichen Feldzügen gratulierte, führte dann aber nur dazu, dass die Nachkommen Wilhelms nach dem Zweiten Weltkrieg auch noch das Haus Doorn aufgeben mussten. Die Niederlande enteigneten den Feindbesitz.

Wilhelms Gemahlin Auguste Victoria hatte 1918 »wie eine Furie um die Krone gekämpft«, berichtet Ausstellungskurator Jörg Kirschstein. Vergeblich. Enttäuschend für sie war, dass sogar die Schlosswache einen Soldatenrat bildete. Zu revolutionären Unruhen ist es allerdings anders als in Berlin nicht gekommen.

Obwohl der preußische Staat im November 1918 das gesamte Vermögen des Königshauses beschlagnahmt hatte, sind in den beiden folgenden Jahren 33 Eisenbahnwaggons voll mit Möbeln und 30 weitere Waggons mit Gemälden, Porzellan und Silber weggeschafft worden. Im Herbst 1925 bekam Wilhelm dann eine noch weit größere Menge an Gegenständen aus dem Neuen Palais nachgeschickt. Eigentlich hatte ein Vergleich festgelegt, dass die Hohenzollern nur die von Wilhelm II. erworbenen Dinge und außerdem Erinnerungsstücke und persönliche Gebrauchsgegenstände erhalten sollten. Doch alte Gefolgsleute machten gern zahlreiche Ausnahmen. Dabei war im wesentlich kleineren Haus Doorn gar kein Platz für all diese Dinge. Etliche Kisten sollen dort noch bis vor wenigen Jahren nie ausgepackt, ja nicht einmal angerührt worden sein.

Das Neue Palais wurde 1927 Museum und mit altem Inventar in die Phase des friderizianischen Rokoko zurückversetzt. Die Transporte hatten ohnehin große Lücken in der letzten Ausstattung hinterlassen. »Andererseits«, so informiert der Ausstellungstext, »sollte nichts mehr an Wilhelm II. erinnern, über dessen ›kranken Geschmack‹ sich schon kurz nach der Revolution der einflussreiche Schöngeist Harry Graf Kessler mokiert hatte.«

Ausstellung »Kaiserdämmerung - das Neue Palais 1918 zwischen Monarchie und Republik«, Neues Palais, Am Neuen Palais in Potsdam, bis 12. November täglich außer dienstags von 10 bis 17.30 Uhr, ab 1. November nur noch bis 17 Uhr, letzter Einlass jeweils eine halbe Stunde vor der Schließung, Eintritt: 8 Euro, ermäßigt 6 Euro (gilt für das gesamte Schlossmuseum, die Ausstellung kostet nichts extra)

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