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Und ewig laufen die Pumpen

NRW: Ein riesiges Tauchaggregat soll helfen, das Grubenwasser nach der Bergbau-Ära in den Griff zu bekommen

  • Lesedauer: 4 Min.

Duisburg. Ein Elektromotor mit 2379 PS und jede Menge Pumpentechnik, umhüllt von silbergrauem Stahl: Wie eine Rakete ragt die neue Tauchpumpe für das Grubenwasser im stillgelegten Steinkohle-Bergwerk in Duisburg-Walsum (Nordrhein-Westfalen) in einer Werkhalle in die Höhe. Etwa 20 Meter lang ist das 24 Tonnen schwere Ungetüm, das an einem starken Deckenkran hängt. Demnächst soll es, wie schon ein weiteres Exemplar seit zwei Jahren, in etwa 750 Metern Tiefe seinen Dienst verrichten. 9000 Liter Wasser kann die Pumpe an die Oberfläche befördern - pro Minute.

Zum Vergleich: Eine Badewanne normaler Größe ist mit 200 Litern schon gut gefüllt. So soll das salzige und mit der Chemikalie PCB belastete Grubenwasser von unter Tage in angemessener Tiefe gehalten werden. Es soll sich auf keinen Fall mit dem normalen Grundwasser in höheren Gesteinsschichten vermischen, aus dem auch Trinkwasser gewonnen wird.

Mit der sogenannten Wasserhaltung kennt man sich im Steinkohlenbergbau aus: Je tiefer nach Kohle gegraben wurden, desto ausgeklügelter und aufwendiger musste das Wasser abgepumpt werden, damit die Kumpel überhaupt arbeiten konnten beziehungsweise noch können. Die Kohle führende Erdschicht enthält einfach zu viel Sickerwasser, als dass es ohne Pumpen gehen würde.

Wenn am Ende dieses Jahres die letzten beiden deutschen Zechen schließen, müssen die Schächte und Gänge unter Tage nicht mehr trocken gehalten werden und das Wasser kann steigen. Doch sich selbst überlassen kann man den Wasseranstieg nicht - eben wegen des Grundwassers. Ein Umstand, der bleibt. Das Bergbauunternehmen RAG zählt die Wasserhaltung daher auch zu den »Ewigkeitsaufgaben«. Weitere sind das dauerhafte Abpumpen von Wasser an der Erdoberfläche, wo es durch den Bergbau Absenkungen gab, sowie die Grundwasserreinigung an früheren Kokereistandorten.

In Sachen Grubenwasser ist bei der RAG der Diplomgeologe Markus Roth für die Planung zuständig. »Langfristig soll es nur noch sechs Wasserhaltungen im Ruhrgebiet geben«, sagt der 50-Jährige. Derzeit sind es noch elf. Wie in Walsum sollen auch die anderen fünf später mit riesigen Tauchpumpen betrieben werden.Im Moment sorgen noch konventionelle Pumpen in großer Tiefe dafür, dass das Wasser nicht zu sehr ansteigt. Etwa auf Zeche Zollverein, mitten auf dem Gelände des Weltkulturerbes: Unter dem markanten Förderturm versehen in 1000 Metern Tiefe sechs Kreiselpumpen ihren Dienst - in trockener Umgebung und eng kontrolliert von Technikern, die dazu regelmäßig unter Tage müssen.

»Alles muss permanent sicherheitstechnisch überwacht werden«, sagt Roth und weist auf die hohen Kosten hin, die damit verbunden sind: In einem ähnlichen Standort, in der ebenfalls stillgelegten Zeche Auguste Victoria in Marl, seien dauerhaft rund 60 Mitarbeiter nötig, um die Anlage zu betreiben. Ein Brunnenbetrieb mit Tauchpumpen benötigt deutlich weniger Personal.

Roth hält es für denkbar, dass etwa Walsum ohne dauerhaftes Personal auskommen kann. Die Steuerung der Wasserhaltung soll künftig zentral ein Leitstand in Herne übernehmen. Er entsteht derzeit auf dem ehemaligen Bergwerk Pluto. Langfristig sollen insgesamt 120 Mitarbeiter die gesamte Wasserhaltung im Griff haben.

Die RAG will im Ruhrgebiet auch künftig an drei Stellen Grubenwasser in die Ruhr leiten, an einer Stelle in die Lippe und an zwei Stellen in den Rhein. Die Einleitung in die Emscher soll enden. Tauchpumpen sollen auch im Norden von Nordrhein-Westfalen, in Ibbenbüren, zum Einsatz kommen. Im Saarland will die RAG langfristig auf Pumpen verzichten. Das Grubenwasser soll ansteigen und von selbst in Saar und Aa laufen. Die Pläne dort sind umstritten, Genehmigungen stehen noch aus. Eine Volksinitiative lehnt die geplante Grubenflutung ab, weil sie »in die Rechte der Bürger und der Kommunen« eingreife und schädlich sei. Sie sei eine Gefährdung für Mensch und Natur.

Tatsächlich steht die Chemikalie PCB, die sich im Grubenwasser findet, im Verdacht, krebserregend zu sein. Sie wurde früher in Hydraulikölen von Maschinen und Förderbändern in Zechen eingesetzt. Vieles davon wurde unter Tage zurückgelassen und gelangt nun ins Grubenwasser. Die RAG sagt, dass der geplante Anstieg des Grubenwassers den PCB-Gehalt verringere. »PCB hängt an Feststoffen, die können sich absetzen«, sagt RAG-Sprecher Christof Beike. Auf Anordnung der Behörden soll im Herbst am Standort Haus Aden im östlichen Ruhrgebiet eine Testanlage in Betrieb gehen, die PCB aus dem Grubenwasser filtern soll. Erste Ergebnisse sollen Anfang 2019 vorliegen. dpa/nd

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