May wieselt sich durch

Die britische Premierministerin schafft es knapp, einer Niederlage im Unterhaus zu entgehen

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Die britische Regierung hat eine schwere Niederlage im Parlament knapp abgewendet. Nach einem mehrwöchigen Machtkampf mit den Gegnern eines harten Brexits in den eigenen Reihen gelang es ihr, eine Gesetzesänderung zu verhindern, die dem Parlament eine umfassende Mitsprache am Ende der Brexit-Verhandlungen ermöglicht hätte.

Der Änderungsantrag zum EU-Austrittsgesetz hätte den Abgeordneten unter anderem das Recht gegeben, der Regierung Weisungen zu erteilen, falls es diese nicht schaffen sollte, bis Anfang 2019 einen Brexit-Deal mit der EU zu präsentieren, den die Abgeordneten akzeptieren. Mehr als ein Dutzend konservative Abgeordnete haben diesen Antrag unterstützt. Am Mittwochnachmittag setzte sich die Regierung mit einem Vorsprung von 16 Stimmen knapp durch.In der Debatte vor der Abstimmung hat Brexit-Minister David Davis schwere Geschütze aufgefahren. Er wiederholte die These, wonach diejenigen, die ein Mitspracherecht des Parlaments beim Brexit-Deal forderten, in Wirklichkeit vorhätten, den Brexit damit zu stoppen. Mehr noch: Bekämen die Abgeordneten die Möglichkeit, über den endgültigen Brexit-Deal abzustimmen, dann würde das der EU in die Hände spielen. Die Regierung hätte dann nicht mehr die Möglichkeit, Brüssel mit einem Abbruch der Gespräche zu drohen, sagte Davis. Ein »No-Deal-Brexit« wäre damit vom Tisch.

Der Brexit-Schattenminister und Labour-Politiker Keir Starmer wies diesen Vorwurf zurück. Er erklärte, es sei entscheidend, dass das Parlament das letzte Wort beim Brexit-Deal bekomme, da es sich um eine folgenschwere Entscheidung handele. »Hier geht es nicht darum, den Prozess zu behindern. Es geht darum, sicherzustellen, dass es einen Prozess gibt.«

Den endgültigen Ausschlag bei der Debatte gab der Anführer der »Rebellen« selbst. Dominic Grieve beschwerte sich darüber, wie er und die anderen Gegner des harten Brexit-Kurses der Regierung »verleumdet« und »gemobbt« würden. Er erklärte ein weiteres Mal, dass er es enorm wichtig finde, dass die Abgeordneten über den finalen Brexit-Deal entscheiden dürften.

Doch dann sagte Grieve, dass er sich mit einem Kompromissvorschlag der Regierung zufrieden geben könne. Diesem Vorschlag zufolge soll nun der »Speaker« des Unterhauses (dessen Rolle mit der des Bundestagspräsidenten vergleichbar ist) am Ende entscheiden, wie bindend die Abstimmung der Abgeordneten über den Brexit-Deal ist.

Vergangene Woche war es Theresa May schon einmal gelungen, eine Niederlage abzuwenden. Sie hat seit den verpatzten Neuwahlen im vergangenen Jahr keine eigene Mehrheit im Unterhaus mehr und ist auf die zehn Abgeordneten der nordirischen Regionalpartei DUP angewiesen, um sich über Wasser zu halten. Jede Stimme zählt. Daher traf sie sich bis zur letzten Minute vor der Abstimmung in ihrem Büro im Parlamentsgebäude mit den Rebellen und versuchte, diese davon zu überzeugen, nicht gegen die Regierung zu stimmen. Mit Erfolg: Als die Abstimmung kam, setzte sich die Regierung durch.

Doch kurz danach brach offener Streit darüber aus, was genau May den Rebellen versprochen hatte. Zwei von ihnen erklärten, die Regierungschefin habe ihnen zugesagt, die Regierung werde in einem eigenen Änderungsantrag auf die Anliegen der Rebellen eingehen. Dann ruderte die Regierung überraschend zurück. In dem Änderungsantrag der Regierung war keine Rede mehr von einer bindenden Abstimmung im Parlament über das Brexit-Abkommen. Offenbar hatten sich die Brexit-Hardliner um David Davis durchgesetzt.

Das veranlasste einige Gegner eines harten Brexits im Oberhaus dazu, Grieves zentrale Anliegen in einem eigenen Änderungsantrag niederzuschreiben. Die Mitglieder der Oberhauses stimmten dann am Montag mit großer Mehrheit für diesen Antrag. Auch 22 Tories stimmten dafür. Der Gesetzentwurf landete erneut im Unterhaus, wo sich die Regierung letzten Endes wiederum durchsetzte. Damit ist der Gesetzentwurf noch nicht endgültig in trockenen Tüchern. Er wird in den kommenden Tagen wieder ins Oberhaus gehen. Doch es wird nicht erwartet, dass die Lords ein weiteres Mal gegen die Entscheidungen der Abgeordneten des Unterhauses stimmen werden.

Das Kabinett von Theresa May hat es geschafft, eine schwere Niederlage abzuwenden, während sie selbst nur geringe Zugeständnisse gemacht hat. Doch die waren offenbar ausreichend, um dem Anführer der Rebellen, Dominic Grieve, einen gesichtswahren Ausweg aus der Konfrontation zu ermöglichen.

Der nächste Schlagabtausch lässt aber nicht lange auf sich warten. Bereits im kommenden Monat werden die Abgeordneten über einen Änderungsantrag abstimmen, der die Regierung dazu zwingen könnte, einen Verbleib in einer Zollunion mit der EU anzustreben. Einige Beobachter bezeichneten den Schlagabtausch um das EU-Austrittsgesetz daher als »Aufwärmübung«.

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