20 Jahre Kampf um ein tolerantes Brandenburg

Jubiläum mit einem Festakt in der Alten Chemiefabrik in Cottbus

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

In einem schwieriger gewordenen Umfeld begeht das Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg« seinen 20. Geburtstag. Dazu gibt es an diesem Sonnabend ab 17 Uhr einen Festakt in der Alten Chemiefabrik Cottbus, zu dem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) erwartet wird. Angesichts der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen in der Stadt sei die Wahl des Ortes »ein deutliches Signal«, sagte Staatskanzleichef Martin Gorholt (SPD) am Freitag. »Die Landesregierung steht zum toleranten Brandenburg«, versicherte er. Man werde nicht zulassen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Cottbus eine feste Position aufbauen können. Problematisch nannte Gorholt, dass Flüchtlinge in nicht geringer Zahl in Stadtteile gezogen sind, die ohnehin schon soziale Brennpunkte waren, einfach weil »dort die Wohnungen frei sind - woanders nicht«. An solchen Orten habe sich dann »einiges aufgeschaukelt«.

Die Aufgaben des Handlungskonzepts werden sich »auch in zehn Jahren noch nicht erledigt haben«, prophezeite Gorholt. Inzwischen sei eine neue Fachstelle »Islam« gegründet worden, die sich mit intoleranten und aggressiven Strömungen von dieser Seite befasst.

Anna Spangenberg, Geschäftsführerin des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, erklärte, Alltagsrassismus sei im Unterschied zu früheren Jahren heute deutlich auf der Straße sichtbar und in den Parlamenten zu vernehmen.

Markus Klein von den Mobilen Beratungsteams äußerte, auch heute noch haben Bürgermeister die aktuelle Entwicklung »nicht auf dem Schirm«, etwa, wenn sie es mit Reichsbürgern oder der Identitären Bewegung zu tun bekommen. Doch sei es insgesamt gelungen, »frühzeitig zu reagieren«. Vor 20 Jahren habe auf kommunaler Ebene ein Umdenken eingesetzt. Man rede den Rechtextremismus in den eigenen Stadtgrenzen nicht mehr möglichst klein, sondern setze sich offensiv mit mit dem Problem auseinander. Damit habe Brandenburg beachtliche Erfolge erzielt und sich bundesweit einen Namen gemacht. Leider in neuer Form zurückgekehrt sei die Erscheinung, dass sich das rechte und das bürgerliche Milieu offen verbünden. Das mache die Auseinandersetzung deutlich schwieriger. Alle Beratung nütze nichts, wenn niemand aktiv werden wolle.

Fußballvereine engagieren sich gegen Rassismus, betonte Christian Löhr vom Landes-Fußballverband. Er sprach aber auch von einer »zunehmend negativen Rolle der Zuschauer«. Er sagte: »Die Sprüche gegen Menschen ausländischer Herkunft sind ein Riesenproblem.« Inzwischen seien die Schiedsrichter instruiert, bei rassistischen Ausfällen zwar nicht gleich beim zweiten Brüller das Spiel abzubrechen, doch dergleichen in ihre Spielberichte aufzunehmen.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) wünscht sich, dass das Konzept irgendwann überflüssig ist, weil Toleranz und Weltoffenheit selbstverständlich geworden sind. »Leider sind wir davon noch weit entfernt«, bedauerte sie. »Der Kampf um Weltoffenheit und Toleranz ist nur zu gewinnen, wenn es Menschen gibt, die mutig und offen für diese Werte eintreten.« Seite 13

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