Sieg und Niederlage für Trump

Urteile zur Einwanderungspolitik des US-Präsidenten spalten auch das Oberste Gericht

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.

Erst ballte Donald Trump die verbale Siegerfaust. Der Oberste Gerichtshof befand am Dienstag, dass das Einreiseverbot für Bürger aus vor allem muslimischen Ländern endgültig rechtens sei, nachdem er bereits Anfang Dezember eine vorläufige Genehmigung erteilt hatte. Betroffen sind neben Syrien, Libyen, Somalia, Jemen und Iran auch Nordkorea und Venezuela. Die Präsidentschaft war kaum eine Woche alt, da unterzeichnete der neue Mann im Weißen Haus ein Dekret, dass »Terroristen aus den USA raushalten« soll. Doch schon im Wahlkampf hatte der Rechtspopulist getönt, dass man Muslimen grundsätzlich die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigern müsse. Die Empörung war auch in den USA groß. Kritiker sahen einen fremdenfeindlichen Verstoß gegen die Religionsfreiheit, zogen vor Gericht und bekamen Recht. Der Erlass musste überarbeitet werden und landete schließlich in einer Klage des Bundesstaats Hawaii vor der obersten juristischen Instanz des Landes.

Dort zahlt sich nun aus, dass Trump einen strammen Parteigänger auf den nach dem Tod von Richter Antonin Scalia frei gewordenen Stuhl gehievt hat - nach Informationen der »New York Times« bekam er dank Neil Gorsuch mit fünf zu vier Stimmen sein Einreiseverbot, für ihn einer der größten Erfolge seiner bisherigen Amtszeit. Wobei der Gerichtshof die grundsätzliche Frage in den Mittelpunkt stellte, ob die Amtsgewalt eines US-Präsidenten einschließe, Einreisen derart weitreichend zu regulieren - und sie bejahte. Man beurteile nicht, ob der Erlass auch sinnvoll sei, so Richter John Roberts, der die Mehrheitsmeinung formulierte.

Landesweite Proteste folgten auf dem Fuß. In Washington, Los Angeles und New York gingen viele Menschen auf die Straße. In Los Angeles nahm die Polizei zwei Dutzend Demonstranten fest, die gegen einen Auftritt von Justizminister Jeff Sessions protestierten. Von einer »rückwärtsgewandten und unamerikanische Politik, die unsere nationale Sicherheit nicht verbessert«, sprach Chuck Schumer, der demokratische Fraktionsführer im Senat. Die Bürgerrechtsvereinigung ACLU kritisierte, das Urteil werde »als einer der größten Fehler des Supreme Court in die Geschichte eingehen«. Wobei zwei Mitglieder in einem ungewöhnlichen Schritt noch im Gericht ihrem Unmut über das Votum freien Lauf ließen. Das Dekret sei von »anti-muslimischer Feindseligkeit« motiviert worden, so Richterin Sonia Sotomayor, und das Urteil signalisiere den Angehörigen von Minderheiten im Lande, dass sie Außenseiter der politischen Gemeinschaft seien.

Ganz anders natürlich das Weiße Haus. Dem »Wow« auf Twitter ließ Donald Trump in einer Presseerklärung des Weißen Hauses seine große Genugtuung über diesen »Augenblick der tiefen Bestätigung« seiner Position folgen. Zumal alle Urteile unterer Instanzen damit hinfällig werden und der Präsident den »Travel Ban« auch noch auf andere Staaten ausweiten könnte. Allerdings dürfte seine Freude nicht allzu lange angedauert haben. Denn ein Bundesrichter im kalifornischen San Diego wies die US-Behörden ebenfalls noch am Dienstag an, die an der Grenze zu Mexiko getrennten Migrantenfamilien innerhalb von 30 Tagen wieder zu vereinen. Kinder unter fünf Jahren müssen sogar binnen zwei Wochen zu ihren Eltern zurückgebracht werden. Per einstweiliger Verfügung untersagte er künftige Zwangstrennungen. Diese Praxis sei die Abkehr von einer wohl geordneten Regierungsführung, die »zentral für das in unserer Verfassung festgelegte Konzept der Rechtsstaatlichkeit ist«. Die ACLU hatte die Klage eingereicht. Richter Dana Sabraw kritisierte in seiner 24-seitigen Urteilsbegründung die Trump-Regierung scharf. Sie habe mit der umstrittenen Praxis nur auf eine »chaotische Situation« reagiert, die sie »selbst herbeigeführt« habe.

Doch Trump dürfte die höchstrichterliche Bestätigung seiner präsidialen Macht auch in Migrationsfragen als Blankoscheck für eine fortgesetzte Null-Toleranz-Politik verstehen. Vizepräsident Mike Pence hat zum Auftakt seiner Lateinamerikareise nachdrücklich vor der illegalen Einreise in die USA gewarnt. Und Justizminister Sessions drohte den oppositionellen Demokraten im Lande jetzt sogar unverblümt, er werde sich gegen alle wenden, die sich für eine »radikale Politik der offenen Grenzen« einsetzten. »Wie der Präsident oft sagt, ist ein Land ohne Grenzen keine Land.«

Derweil steigt im Grenzgebiet zu Mexiko die Zahl der Hitzetoten unter den Migranten sprunghaft an. Bei den extremen Temperaturen in dieser Region seien in den letzten neun Monaten 55 Prozent mehr Menschen bei unerlaubten Grenzübertritten gestorben als im Vorjahreszeitraum, so der US-Grenzschutz, der bislang 48 Todesopfer gezählt hat. Und der Sommer hat gerade erst angefangen. Die Menschenrechtsgruppe »Border Angels« aus San Diego führt den Anstieg der Todesfälle auf Trumps harte Linie gegen Migranten ohne Einreisepapiere zurück. Wegen der verschärften Kontrollen würden immer mehr Flüchtlinge versuchen, über abgelegene und lebensgefährliche Grenzabschnitte in »Gottes eigenes Land« zu gelangen. Auch vor diesem Hintergrund sind jetzt 17 US-Bundesstaaten gemeinsam gegen die Einwanderungspolitik vor Gericht gezogen. Sie klagen gegen die Praxis, Asylsuchenden die Einreise zu verweigern und Migrantenkinder von ihren Eltern zu trennen.

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