Auch Kartoffeln haben Wünsche

Im Nordosten will man wieder mehr Knollen anbauen, doch das hieße mehr Bewässerung

  • Jürgen Drewes, Rostock
  • Lesedauer: 3 Min.

Mecklenburg-Vorpommen gehört bundesweit zu den wichtigsten Produzenten von Saatkartoffeln. Auf 3000 Hektar werden sie im Nordosten angebaut. In den vergangenen Tagen hat sich der Kartoffelexperte Herwig Elgeti landauf, landab Kartoffelfelder angesehen - im Auftrag des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LALLF). Dabei ging es darum, ob die heranwachsenden Bestände gesund und sortenrein sind. Das ist wichtig für die spätere Anerkennung als Pflanzkartoffeln.

Elgeti hat dabei kaum Probleme festgestellt. Sorgen bereitet ihm vielmehr die wochenlange Trockenheit. In einigen Regionen ist mehr als zwei Monate lang kein Tropfen Regen gefallen. Im Frühjahr waren die Kartoffeln wegen der Nässe vielerorts verspätet in den Boden gekommen, auch die anhaltende Kälte war ein Problem. Sie hat dem Aufwuchs sichtbar geschadet. Gleichwohl weiß der Mittsechziger aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass es noch schlimmer kommen kann. »Viele Kartoffeln sind erst Mitte Mai aufgelaufen. Da war noch Wasser im Boden. Richtig Probleme wird es erst geben, wenn auch im Juli kaum Regen fällt.« Erst dann entscheidet sich, wie viele der gebildeten Knollen je Pflanze letztlich zu gewünschter Größe heranreifen.

»Um die 20 sollten es schon sein. Neue Sorten lassen sogar 25 und mehr Knollen zu«, sagt Dieter Ewald, Geschäftsführer des Saatgutverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Er hat sich nach jahrelangem Rückgang der Anbauflächen vehement für einen wieder stärkeren Kartoffelanbau im Land eingesetzt. »Entscheidend für eine erfolgreiche Produktion ist Wasser. Wer seine Felder nicht beregnen kann, hat einen schweren Stand«, gibt er zu bedenken. Das zeigt sich in diesem Jahr mit aller Deutlichkeit.

Zunehmend mehr Landwirte investieren in Beregnungsanlagen. Das Schweriner Landwirtschaftsministerium unterstützt das finanziell. Doch längst nicht jeder Betrieb nutzt dieses Angebot. »Die Kosten sind trotz der Beihilfen hoch. Geld, das wir nach zwei schwierigen Erntejahren mit nur geringen Erlösen nicht haben«, sagt ein Landwirt. Und die dritte schlechte Getreideernte steht bevor.

Bei der LMS-Agrarberatung weiß man um dieses Problem. Vor zwei Jahren wurde dort ein Arbeitskreis Kartoffeln gegründet mit dem Ziel, Landwirten, die den Anbau wieder aufnehmen wollen, zur Seite zu stehen - zum Nulltarif. »Das zeigt Erfolg«, sagt der Saatgutverbandschef. 400 Hektar Kartoffeln seien in diesem Jahr hinzugekommen. Insgesamt wachsen die Knollen jetzt auf 12 200 Hektar.

Aktuell bauen in Mecklenburg-Vorpommern wieder 400 Betriebe Kartoffeln an, auf Flächen zwischen fünf und fast 500 Hektar. Darunter ist die Bentziner Ackerbau GmbH (Vorpommern-Greifswald). Vorsitzender Hartmut Giermann, der auch dem Saatgutverband vorsteht, verweist auf den hohen Stellenwert der Kartoffel für eine ausgewogene Fruchtfolge. »Zudem ist mit Kartoffeln im Vergleich zu zuletzt gesunkenen Preisen bei Getreide und Raps gutes Geld zu verdienen«, meint er. Der Absatz, vor allem in Stärkefabriken, sei gesichert, ergänzt Ewald. Auch der Export in mehr als 30 Länder floriere.

Die ersten Frühkartoffeln, die in der Agrarproduktionsgesellschaft, Agp Lübesse (Landkreis Ludwigslust-Parchim) bereits geerntet wurden, enttäuschten jedoch. Ohnehin ist der Ertrag bei Frühkartoffeln viel geringer als bei späteren Sorten. Daher will Agp-Ackerbauchef Stefan Riemer noch keine Prognose für die Ernte zur Hauptsaison im Spätsommer und Herbst wagen. Nur wenige Tage konnten die Beregnungsanlagen in diesem Jahr abgeschaltet werden. Das Wasser kommt bei der Agp aus Brunnen und einem Zuleiter der Störwasserstraße. Die Voraussetzungen dafür wurden im Betrieb bereits vor 40 Jahren geschaffen. »Die Wasserrechte aus DDR-Zeiten können auf Antrag wieder aktiviert werden«, erinnert Ewald die Kartoffelanbauer und fordert sie auf, diese Möglichkeit auch zu nutzen.

Elgeti kann das in seinem eigenen Betrieb in Broderstorf bei Rostock nicht, es gibt nicht genug Wasser. »Ich muss auf die altbewährte Methode zurückgreifen - eine Bodenbearbeitung mit der Hacke ersetzt 20 Millimeter Regen.« dpa/nd

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