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Flüchtlingsaktivistinnen auf Tour

Die Initiative Women in Exile engagiert sich für Flüchtlings- und Menschenrechte

  • Bosse Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir werden laut sprechen, und wir werden uns Gehör verschaffen«, fasst Elizabeth Ngari, Aktivistin und Mitbegründerin der Initiative Women in Exile, ihr Vorhaben am Montagmorgen auf einer Pressekonferenz im Projekthaus Potsdam-Babelsberg zusammen.

Die geflüchteten Frauen haben vor, gemeinsam mit ihren Kindern und einigen Unterstützerinnen auf Tour durch Ost- und Süddeutschland bis an die Schweizer Grenze zu gehen. Es ist bereits ihre dritte bundesweite Aktion. »Dieses Jahr haben wir uns entschieden, speziell in den Süden zu fahren, da die Situation für Flüchtlinge dort besonders schlimm ist und Bayern ja schließlich das ›Heimat‹-Land des neuen ›Heimat‹-Ministers Seehofer ist«, so Ngari. Bayern sei Experimentierfeld für spezielle Abschiebelager, sogenannte ANKeR-Zentren, brutalste Abschiebungen, Kriminalisierung von Flüchtlingen und Menschen, die Flüchtlingen helfen, führt sie weiter aus.

Unter dem Motto »Women* Breaking Borders« wollen die Frauen Station in Magdeburg, Leipzig, Nürnberg, Regensburg, München, Basel, Freiburg und Frankfurt am Main machen. Enden wird die Tour mit einem kleinen Willkommensfest und einer Evaluation dann wieder in Potsdam. In allen Städten sind Workshops, Kundgebungen und andere Aktionen geplant. »Wir wollen uns im Rahmen der Women-in-Exile-Tour Raum nehmen, um uns über gemeinsame Probleme, Bedürfnisse und Erfahrungen auszutauschen«, sagt Yamina Mohamad, die Teil der Vorbereitungsgruppe ist.

Die 2002 in Brandenburg ins Leben gerufene Initiative Women in Exile hat mittlerweile in vielen Bundesländern Ableger und Unterstützerinnen, so auch in den Städten, die die Frauen auf ihrer diesjährigen Sommertour besuchen werden.

Nach Aussage von Halima Farah, die ebenfalls zum Brandenburger Organisationsteam der Aktion gehört, werden von Potsdam 27 Frauen und 20 Kinder in drei Kleinbussen und mit der Bahn aufbrechen. Auf der Reise werden noch weitere Aktivistinnen dazu stoßen, so dass sie am Ende bis zu 70 Personen sein werden.

Für Farah ist es die erste längere Tour mit Women in Exile. Ihre Motivation, sich für Frauen- und Flüchtlingsrechte zu engagieren, zieht die 29-Jährige aus ihrer eigenen Fluchterfahrung. Über zwei Jahre dauerte ihre Flucht aus Somalia über Äthiopien, den Sudan, Libyen und Italien bis nach Brandenburg. Vier Jahre verbrachten sie, ihr Ehemann und ihre drei in Deutschland geborenen Kinder anschließend in einer Unterkunft in Teltow (Potsdam-Mittelmark). Die Zustände in dem Heim und die ihr auferlegte Residenzpflicht beschreibt sie als eine weitere Grenze, die sie zu überwinden hatte. In Teltow war es ihr aufgrund ihres Aufenthaltsstatus zudem nicht gestattet, einen Deutschkurs zu besuchen. Durch die Hilfe von Women in Exile und den Kontakten der Initiative zu Anwält*innen konnte sie vor einem Jahr schließlich aus dem Heim in eine Wohnung ziehen. Nun darf sie auch endlich einen Deutschkurs belegen.

Seitdem beteiligt sie sich auch an den Workshops, die die Initiative regelmäßig mit Frauen aus ganz Brandenburg und auch in anderen Bundesländern veranstaltet. In den Workshops geht es meist darum, dass die Frauen sich über ihre Erfahrungen austauschen und darum, die ganz besondere Lage von geflüchteten Frauen in Deutschland zu thematisieren.

»Als Geflüchtete sind wir sozusagen Frauen dritter Klasse«, sagt Ngari zu der Situation geflüchteter Frauen in Deutschland. Zunächst hätte sich vieles verbessert, sogar die Residenzpflicht wäre zeitweise gelockert worden, beschreibt sie den jahrelangen Kampf für Flüchtlingsrechte. Seit in Folge der sogenannten Flüchtlingskrise die Gesetzte erneut verschärft wurden, sei die Situation jedoch so schlimm wie nie zu vor.

Durch die neuen Gutscheinsysteme beispielsweise sei es vielen Geflüchteten beispielsweise nicht mehr möglich, mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, da diese keine Gutscheine akzeptierten. Dies schränke ihre Bewegungsfreiheit ein. Flüchtlinge seien so von der Gesellschaft isoliert. Die »gefängnisartigen Zustände« und das »Ausharren mit ungewissem Ende« seien außerdem ein Nährboden für sexualisierte Gewalt, so Ngari. »Die Zustände in den Lagern sind zum Weinen«, fasst sie zusammen. Die Frauen seien deshalb auf ihre Solidarität untereinander und von anderen angewiesen. Genau daran soll auf der Tour und in den Workshops gearbeitet werden.

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