Sündenbockig

Uwe Kalbe über die auffällige Dünnhäutigkeit Horst Seehofers

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 1 Min.

Auch wenn Horst Seehofer nun erstmals Zeichen der Schwäche zeigt, muss er einem nicht leid tun. Auch wenn er Nerven offenbart, indem er eine Stiftung der Nachbarschaftshilfe mit Liebesentzug straft und damit dem Ministerium für Heimat, dem er vorsteht, eigentlich eine tiefe Sinnkrise bescheren müsste - der Minister und CSU-Chef hat Mitleid nicht nötig. Selbst wenn er nun hartherzig als beleidigte Leberwurst tituliert wird, ist Anteilnahme überflüssig. Diesen kleinen Schmerz gleicht die Begeisterung der seehoferschen Fangemeinde über seine Standfestigkeit als egozentrischer und rücksichtsloser bayerischer Dickschädel allemal wieder aus.

Es ist beileibe nicht das Unterlaufen von Gürtellinien in der politischen Auseinandersetzung, das Seehofer derzeit zu schaffen macht. Als der CSU-Chef zum Bundesinnenminister wurde, meinte mancher Kritiker besorgt, nun werde der Bock zum Gärtner gemacht. Das hatte auch mit Seehofers Gewohnheit zu tun, neben Gürtellinien auch andere Maßstäbe eines rücksichtsvollen menschlichen Umgangs nicht allzu hoch zu hängen - zumindest, wenn es um Menschen ging, die keinen Einfluss auf den Ausgang von Landtagswahlen haben, um Migranten vor allem. Die heranrückende Wahl in Bayern ist es auch, die die zunehmende Nervosität Seehofers wie seiner CSU erklärt. Seehofer weiß, dass danach wieder ein Bock gebraucht wird - ein Sündenbock.

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