Wo schnell der Durchblick fehlt
Mecklenburg-Vorpommern: Mit viel Geld restaurierte Schlossgärten drohen zu verwildern
Zwei Kanäle säumen den Johannisdamm, einen der schönsten Spazierwege in Mecklenburg-Vorpommerns größtem Schlosspark in Ludwigslust. Die Bäume zu beiden Seiten bieten kühlen Schatten und sollen den Blick des Spaziergängers auf eine kleine, neugotische Backsteinkirche aus dem frühen 19. Jahrhundert am Ende des Weges lenken. Doch der Besucher entdeckt die Kirche vor lauter Grün erst ganz zum Schluss - die Bäume konnten in den letzten Jahren ihre Äste und Zweige ungehindert ausbreiten.
Auch an anderen Stellen des von Peter Joseph Lenné geplanten englischen Parks, für den eine barocke Anlage umgestaltet wurde, wachsen die einst sorgsam angelegten Sichtachsen zu: Von der Steinernen Brücke ist der Westflügel des Schlosses nur im Winter gut zu sehen, wenn die dazwischen aufschießenden Erlen und Buchen kein Laub tragen. Und an der zentralen Hofdamenallee wachsen die Kronen der Bäume zusammen - was nicht sein soll.
Dietmar Braune ist Leiter des Dezernats Gärten bei den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern. Er weiß um die Probleme. Das Freischneiden des Johannisdamms und der Hofdamenallee zählt er zu den dringendsten anstehenden Maßnahmen in dem Park, der jährlich von Zehntausenden Touristen besucht wird. Der Sturm »Xavier« habe im Herbst vorigen Jahres schwere Schäden angerichtet, sagt er. Mehr als 900 Bäume riss er um, ganze Areale sind heute kahl. Vor diesem Hintergrund reiche das vorhandene Personal für die vielen Aufgaben nicht aus.
Acht eigene Gärtner gibt es für den 127 Hektar großen Schlosspark Ludwigslust, davon ist nach Braunes Worten einer seit längerem krank. Eine externe Firma übernimmt einige Arbeiten. Häufig müssen zum Beispiel die Wege geharkt werden, um Laub zu beseitigen - andernfalls beginnt die Humusbildung, der Weg wird matschig und es siedeln sich Unkräuter an. Den enormen Investitionen der vergangenen Jahre - allein in den Schlosspark von Ludwigslust flossen seit 1991 acht Millionen Euro - drohen vielfältige Gefahren, wenn die dauerhafte Pflege nicht ausreichend gewährleistet ist. »Es genügen 20 Jahre reduzierter Pflege und plötzlich haben Sie da eine Art Wald«, sagte vor einiger Zeit der Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Michael Rohde, in einem Interview über die Herausforderungen beim Erhalt historischer Anlagen.
Der Schlosspark Ludwigslust ist mit seinen Pflegeproblemen nicht allein. Im Burggarten rund um das Schweriner Schloss mit seinen aufwendigen Blumenbeeten sprießt, etwas abseits der Hauptrabatten, das Unkraut. Exotische Pflanzen stehen in Holzkübeln, in die Löcher gefault sind.
»Das Problem ist nicht auf MV beschränkt und auch nicht neu«, sagt Clemens Alexander Wimmer, Autor mehrerer Standardwerke über die Pflege historischer Gärten. Personelle Unterbesetzung sei keine Seltenheit. »Seit über 30 Jahren ist zum Beispiel im Schlosspark Charlottenburg zu beobachten, dass am Schloss Blumen gepflanzt werden, während der Park sich selbst und dem Ahornwildwuchs überlassen wird.« Geld werde gern für Rekonstruktionen beschafft, aber für die Pflege fehle es.
Mecklenburg-Vorpommern habe ein großes Defizit bei der Pflege seines großen Reichtums an historischen Parkanlagen, zu denen auch die Gutsparks gehören, stellt Inken Formann fest, die zweite Vorsitzende des Arbeitskreises Historische Gärten der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur. »Ich glaube, dass die Kollegen der Schlösserverwaltung und die zuständige Kollegin des Landesamts für Denkmalpflege in MV im Rahmen ihrer sehr eingeschränkten Möglichkeiten das Bestmögliche für die Erhaltung der Anlagen tun.« Aber es seien schlichtweg nicht genug personelle Kapazitäten vorhanden.
So gibt es für den wichtigen Posten des Landesgartendenkmalpflegers nur noch eine halbe Stelle. Die andere Hälfte der Arbeitszeit ist einer Professur an der Hochschule Neubrandenburg gewidmet. Die Landtagsfraktion der Linkspartei in Schwerin hat diese Regelung von Anfang an kritisiert. »Die Folgen werden jetzt sichtbar«, sagt die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Eva-Maria Kröger. »Statt eines Masterplanes für die landeseigenen Schlösser und Gärten herrscht ein Flickwerk, um die dringendsten Baustellen zu beräumen.«
Jascha Barckhan widerspricht. Es gebe sehr wohl eine planvolle Betreuung durch Fachpersonal, sagt der Sprecher der Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommerns. Zu den landeseigenen historischen Parks und Gärten zählen Anlagen in Schwerin, Güstrow, Wiligrad, Ludwigslust, Mirow, Hohenzieritz, Bothmer und Neustrelitz.
Problematisch ist aus Sicht von Gartenfachleuten auch die geringe Zahl eigener Gärtner. Zu viele Pflegearbeiten würden Fremdfirmen übertragen, sagt Formann. »Da gibt es Nachholbedarf in MV.« Eigene gärtnerische Regiebetriebe sind aus ihrer Sicht letztlich nicht teurer als Fremdfirmen. »Gärtner mit jahrelanger Erfahrung können eine Anlage viel besser betreuen als eine Firma von außen.« Sie könnten auf Witterungsereignisse schnell und sachkundig reagieren. Auch sei die Identifikation mit der Anlage für eine adäquate Pflege wichtig. Die detaillierte Ausschreibung von Arbeiten für Fremdfirmen stelle zudem einen riesigen Aufwand dar. dpa/nd
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