Zusammenarbeit statt Beteiligung

Initiativen fordern vom Senat echte Kooperation bei Entwicklung des Dragonerareals

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Seit rund einem Jahr läuft die Bürgerbeteiligung zur Zukunft des Dragonerareals. Wie ist Ihr bisheriger Eindruck?

Schobeß: Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Es gibt Phasen, wo man das Gefühl hat, man arbeitet zusammen mit allen Beteiligten - also wir aus den Initiativen, die Zivilgesellschaft, Bezirk und Senat. Und dann kommt der Punkt, wo es irgendwie nicht weitergeht. Wir haben mit der Verwaltungsebene auf Bezirks- und Senatsseite zu tun. Die sind auch wahnsinnig engagiert, sind offen, die hören zu, man diskutiert Ideen. Unglücklicherweise sind das dann oft die Leute, die nichts zu entscheiden haben. Wir kommen immer bis an einen gewissen Punkt und dann fehlt das Go von ganz oben.

Zur Person

Pamela Schobeß führt den Club Gretchen und ist Sprecherin der Gewerbetreibenden auf dem Kreuzberger Dragonerareal, großteils kleinere Handwerksbetriebe wie Autowerkstätten.

Zusammen mit Enrico Schönberg von der Initiative Stadt von unten engagiert sie sich seit Langem für eine gemeinwohlorientierte Entwicklung des Areals. Über das seit gut ein Jahr laufende Beteiligungsverfahren sprach mit ihnen für »neues deutschland« Nicolas Šustr.

Worum ging es konkret?

Schobeß: Wir haben an der Kooperationsvereinbarung zwischen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dem Bezirk und den Initiativen - und angestrebt ist eigentlich auch Senatsverwaltung für Finanzen - gearbeitet. Da haben wir uns über mehrere Wochen bis zu, glaube ich, vier mal in der Woche getroffen und teilweise drei, vier Stunden gearbeitet. Selbstverständlich besteht unser Vorschlag nicht aus drei Sätzen, sondern wir haben sehr konkrete Vorstellungen.

Zum Beispiel?

Schobeß: Wenn man über Strukturen der Zusammenarbeit nachdenkt, wollen wir nicht einfach nur, dass da steht, wir bilden ein Gremium. Wir machen Vorschläge, wie dieses Gremium aussieht, und das auch sehr konkret. Ich habe mir vorgestellt, dass Senat und Bezirk anschließend prüfen, ob das geht, wie wir uns das vorstellen. Dann sollten Gegenvorschläge kommen, und am Ende einigen wir uns auf etwas. Stattdessen kam einfach kein Kommentar. Wir wissen gar nicht, ob das Konzept jetzt für gut oder schlecht befunden wird oder ob es überhaupt einer gelesen hat.

Haben Sie nachgehakt?

Schobeß: Ja. Das ist jetzt arg vereinfacht, aber dann kommt als Antwort: Oh, das ist aber sehr komplex. Das müsste man ja juristisch prüfen, wir schreiben jetzt mal was Einfaches. Ich war im Urlaub, als ich das gelesen habe, ich bin vor Wut fast aus meiner Hängematte gefallen. Da hört es bei mir einfach auf. Natürlich muss das geprüft werden, das ist schließlich ein Vertrag am Ende!

Das klingt nicht nach Zusammenarbeit.

Schönberg: Ein essenzieller Punkt, den Berlin an bestimmten Stellen noch nicht verstanden hat, ist: Beteiligung ist das eine, Zusammenarbeit ist das andere. Diese ist nicht erprobt. Aber gerade wenn man hier auch von Bestandsmietern redet, dann geht es um eine gemeinsame Gestaltung von Zukunft. Und das ist mehr als: »Gebt uns mal eure Ideen, die ihr so habt.« Da muss man auch einen Kooperationsprozess anbieten. Dass die Verwaltungen dazu in der Lage wären, spüren wir gerade nicht.

Ist es mehr diese Art Bürgerberuhigung, die dort stattfindet, indem man sie mal - salopp gesagt - quatschen lässt?

Schönberg: Sagen wir mal so: Es ist arg moderierend von dem mit dem Prozess beauftragten Büro gehalten. Die sagen auch, sie seien nicht zuständig für die politische Agenda der Initiativen. Wenn die nicht zuständig sind, wer ist dann zuständig? Wenn die einen sich für nicht zuständig erklären, sondern sagen, wir machen hier Beteiligung und die ist offen für jeden und eure Agenda ist jetzt nicht so wichtig, dann sind es die falschen Mechanismen, die da wirken.

Ist diese Kooperationsvereinbarung nicht letztlich die Basis des ganzen Prozesses?

Schönberg: Für die Zusammenarbeit zwischen einer organisierten Zivilgesellschaft sowie Bezirk und Senat sehen wir das schon als Grundlage. Gerade in den letzten Jahren hat die Zivilgesellschaft viel Expertise erworben in der Frage von Entwicklung von Wohnen. Und da muss die Politik irgendwann anerkennen: Okay, mit denen kann man auch zusammenarbeiten, da geht es nicht darum, nur Ideen abzurupfen von so einem Wunschbäumchen. Diese Anerkennung fehlt im Prozess ein bisschen.

Fehlt die Anerkennung grundsätzlich?

Schobeß: An wichtigen Stellen durchaus. Es gibt auch gute Dinge, die wir nennen können. Zum Beispiel wurde eine Studie zum Thema Gewerbe und Kultur im gesamten Sanierungsgebiet durchgeführt, mit besonderem Augenmerk auf dem Dragonerareal. Die hat zwar das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ausgeschrieben, bei der Formulierung dieser Ausschreibung haben wir jedoch sehr gut zusammengearbeitet. Mit einer gemeinsamen, paritätisch besetzten Jury haben wir auch wirklich gemeinsam entschieden, welche Firma am Ende diese Studie durchführt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Von selbst sind Bezirk oder Senat allerdings nicht auf die Idee gekommen, dass man das so machen könnte.

Was wäre denn die Lösung, damit verbindliche Entscheidungen getroffen werden können? Müssten Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) regelmäßig dabei sein?

Schobeß: Wenn es die Einzigen sind, die diese politischen Entscheidungen treffen können, dann müssen die einmal im Monat an diesem Tisch sitzen. Deswegen sind diese Gremienstrukturen für uns auch so wichtig, und deswegen haben wir auch so sehr lange daran gearbeitet. Bei einem ähnlichen Prozess im Hamburger Gängeviertel sind die Beteiligten immer wieder an ihre Grenzen gestoßen, weil niemand Politisches mit im Gremium war. Die Anwesenden hatten das nicht zu entscheiden oder wollten oder konnten nicht entscheiden, weil ihre Aufgabe eine andere ist. Daraus wollen wir lernen. Man muss ja den gleichen Fehler nicht wiederholen.

Haben die Verantwortlichen Angst, sich die Finger zu verbrennen, wenn sie selbst direkt involviert sind?

Schobeß: Ich glaube, es hat viel damit zu tun, dass man sich innerparteilich und parteiübergreifend gegeneinander aufreibt.

Schönberg: Wir haben ein größeres Problem in dieser Stadt mit der Mietenentwicklung, und das löst man nicht über innerkoalitionären Parteistreit, erst recht nicht, wenn das über Bande über gewisse Zeitungen ausgetragen wird. Das ist absolut nicht nützlich - eine ernsthafte Zusammenarbeit ist nötig.

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