Der Salat, die Tomate, das Volk

Fernsehdokumentation über fünf Menschen und die immer noch aufgeheizte Stimmung in der Stadt Cottbus

»Wir sind das Volk«, grölt die Menge. Ein Mann zeigt den Hitlergruß. So beginnt die rbb-Dokumentation über die Verhältnisse in Cottbus. An diesem Montag um 21.45 Uhr wird der 28 Minuten lange Streifen von Stefanie Groth und Diana Kulozik im ersten Programm gezeigt.

Wer ist das Volk? Ist es Frank Steitz, 54 Jahre alt und arbeitslos, der nach einem gescheiterten Republikfluchtversuch im Gefängnis gesessen hatte und von der Bundesrepublik aus der DDR freigekauft wurde, der nach der Wende nach Cottbus zurückkehrte und sich hier bis 2015 sicher und wohl fühlte - bis die Flüchtlinge kamen? »Wir sind tolerant, wir sind keine Nazistadt«, beteuert Steitz. »Aber wer unsere Gastfreundschaft missbraucht, der kann leider nicht hier bleiben.« Sagt Steitz und läuft bei den asylfeindlichen Demonstrationen des Vereins »Zukunft Heimat« mit. Der 54-Jährige geht Ausländern aus dem Weg. Es geht ihm eigentlich ganz gut, bekennt er. Noch! Aber wenn die Braunkohletagebaue eingestellt werden, dann könnte es schlimm werden im Revier. Vielleicht kommen seine Ängste auch daher.

Wer ist das Volk? Architekt André Noack, für den es beruflich einwandfrei läuft, der mit Syrern kocht und ihnen dabei die deutsche Sprache vermittelt? Etwa den Gebrauch des Artikels: »Der Salat, die Tomate.« Noack macht sich allerdings Gedanken, weil der Hass in Cottbus unerträglich wird. Reporterin Simone Wendler von der »Lausitzer Rundschau« registriert diesen Hass, wenn »Lügenpresse« gerufen wird.

»Entweder stellt man sich auf die eine Seite oder kontert von der anderen. Es gibt kein richtiges Zwischendrin«, beurteilt Polizist Rico Jensch die Lage. Er patrouilliert mit Kollegen in der Innenstadt und sorgt für spürbar mehr Sicherheit.

Aber die Stimmung bleibt angespannt nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen, die es zu Jahresbeginn zwischen Einheimischen und Flüchtlingen gegeben hat. Wer ist das Volk? Gehört nicht auch Hassan Alhassan dazu, der sein Pädagogikstudium in Syrien abbrach und flüchtete, als der Bürgerkrieg begann. Seine Schwester ist mit ihrem Mann und ihren Kindern in Hannover untergekommen und bittet den Bruder, zu ihr zu ziehen. In Cottbus seien die Menschen nicht nett zu den Flüchtlingen, argumentiert sie. Doch Alhassan will bleiben. Nach langem Warten hat er einen Studienplatz bekommen. Cottbus soll seine neue Heimat werden.

»Wer ist das Volk? Cottbus in Aufruhr«, ARD, 13. August, 21.45 Uhr

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