Klicks mit Ullrich

Über den schmalen Grat der Berichterstattung im fall des gefallenen Ex-Radsportstars

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt viele Prominente, die der Boulevard liebt. Jene, die ganz oben stehen, bereitwillig Einblicke in ihr Leben geben, das Blitzlichtgewitter gezielt suchen. Noch lieber sind den Klatschreportern nur die Stars, deren Stern am Verglühen ist, die sich auf dem Weg nach ganz unten befinden - so wie Jan Ullrich.

Seit der frühere Profiradrennfahrer vor zwei Wochen auf Mallorca vorübergehend festgenommen wurde, weiß die Öffentlichkeit dank eines sogenannten guten Freundes namens Til Schweiger, dass Ullrich inzwischen zum zweiten Typ der Promi-Welt gehört. Anstatt mit seinem Kumpel zum Psychologen zu gehen, packte der Schauspieler ganz unsportlich über den »Ulle« und dessen Suchtproblem in der »Bild am Sonntag« aus. Und bekanntermaßen ist das kein Blatt, dass für rücksichtsvolle Berichterstattung bekannt ist.

Allerdings ist es längst nicht nur das Bild.de-Imperium, dass die Geschichte über den gestürzten Radstar mit exzessiver Gier verfolgt. Bildblog.de hat nachgezählt, welche Relevanz große deutsche Medien dem Thema Ullrich zumessen. Focus.de, in Fachkreisen auch als Nachrichtenschleuder bekannt, die es für nötig hielt, über den Rennfahrer Michael Schumacher nach dessen schwerem Unfall über Wochen einen Newsticker zu befüllen, brachte es in nur zweieinhalb Wochen auf 65 Texte über den kranken Radsportler. Bild.de veröffentlichte im gleichen Zeitraum 43 Artikel, selbst die »Frankfurter Allgemeine« fand auf faz.net noch genug Gründe, um mit ihrem Gewissen 19 Beiträge zu vereinbaren.

Christian Meier beschreibt auf welt.de den Grat zwischen Medienhetze und der »Wahrung der Sorgfaltspflicht« in der Berichterstattung. »Fraglos haben Medien eine Verantwortung gegenüber Jan Ullrich. Genauso, wie sie eine Verantwortung gegenüber jeder einzelnen Person haben, über die sie berichten«, so Meier. Von den Medien dürfe Ullrich Fairness erwarten, gleichzeitig habe er den Rummel um seine Person selbst mit geschaffen. In besseren Zeiten hätten Sportstars wie er »gerne das Licht der Öffentlichkeit« gesucht. Zu bemängeln sei laut Meier »der übertriebene Kult, der in der Öffentlichkeit um so manchen Weltmeister oder Olympiasieger betrieben wird. Daran beteiligen sich aber nicht nur Medien, sondern auch PR-Agenten, Sponsoren, Funktionäre.« Selbige üben sich nicht einmal am Tiefpunkt in Zurückhaltung. So wissen wir dank der »Hamburger Morgenpost«, dass Ullrichs Ex-Manager Ole Ternes vermutet, der Ex-Radstar werde »komplett von fremden Menschen ferngesteuert«.

Apropos Vermutungen: Eben diese bestimmen große Teile der Berichterstattung, da nur Ullrich, seine Ärzte und er engste Bekanntenkreis wissen, wie es ihm geht. Und weil es über den eigentlichen Fall wenig Berichtenswertes zu melden gibt, steigt ein »Focus«-Autor notfalls im Hotel ab, wo Ullrich eine Sexarbeiterin gewürgt haben soll. Nur um anschließend schreiben zu können, dass er vielleicht im selben Bett gelegen habe, wie der ehemalige Radsportler.

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