Zweiter Anlauf für Sozialticket gescheitert

Berlin macht nicht mit bei einem Fahrschein, der für Brandenburg und die Bundeshauptstadt gelten würde

  • Manfred Rey
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwischen Brandenburg und Berlin wird es vorerst kein länderübergreifendes Sozialticket im Nahverkehr geben. Auch ein zweiter Versuch, Brandenburgern mit geringem Einkommen verbilligte Fahrten mit Bussen und Bahnen in der Bundeshauptstadt zu ermöglichen, ist nach Angaben des brandenburgischen Infrastrukturministeriums gescheitert.

»Einen Sozialtarif für Berlin und Brandenburg wird es nicht geben, das bedauern wir sehr«, erklärte Ministeriumssprecher Steffen Streu. Ziel sei es nun, mit Berlin ein länderübergreifendes Jobticket sowie ein Azubiticket zu vereinbaren.

Brandenburg hatte 2008 als bundesweit erstes Flächenland ein Sozialticket eingeführt. Einkommensschwache, Empfänger von Sozialleistungen, Arbeitslose und Asylbewerber können eine Monatskarte für Bus und Bahn zum halben Preis erwerben. Wer nach Berlin fahren will, muss bislang einen Ergänzungsfahrschein oder eine zusätzliche Monatskarte kaufen. In der Koalitionsvereinbarung von 2014 hatten sich SPD und LINKE darauf verständigt, mit Berlin über eine Zusammenführung des dortigen Berlin-Tickets S mit dem damals so genannten Brandenburger Mobilitätsticket zu verhandeln. Ein erster Versuch für ein länderübergreifendes Sozialticket scheiterte 2015, da sich der damalige Berliner Senat aus SPD und CDU nicht in der Lage sah, die mit zwei bis fünf Millionen Euro jährlich angegebenen zusätzlichen Ausgleichszahlungen an die Verkehrsunternehmen aufzubringen. Um das Berliner Sozialticket unverändert weiter anzubieten, könne man dem Wunsch Brandenburgs »derzeit« nicht nachkommen, hieß es.

Die ein Jahr später neugebildete rot-rot-grüne Koalition in Berlin vereinbarte, den Kreis der Anspruchsberechtigten des Tickets S auf Wohngeldempfänger auszuweiten. Für junge Menschen bis 18 Jahre, die keinen Anspruch auf ein Schüler-/Azubi-Ticket, Ticket S oder Semesterticket haben sowie für Auszubildende sollte es einen vergünstigten Tarif geben.

Im März 2018 unternahm Brandenburg einen zweiten Anlauf für eine länderübergreifende Regelung für Harz-IV-Empfänger und Einkommensschwache - doch auch dieser Versuch scheiterte. »Berlin macht seinen Sozialtarif für sich selbst, aber nicht länderübergreifend«, sagte Streu. Zu den Gründen wollte sich der Ministeriumssprecher nicht äußern. »Ich kann nicht für Berlin sprechen, das müssen die selber erläutern.«

Doch bei den zuständigen Berliner Senatsverwaltungen brachten auch mehrmalige Anfragen keine Klarheit. Das Wirtschaftsressort nannte das Verkehrsressort zuständig. Dort befasse sich die Arbeitsgruppe Tarife mit dem Thema. Die Senatsverkehrsverwaltung wiederum verwies auf das für die Berliner Betriebe zuständige Wirtschaftsressort. Auch dort wurde auf die AG Tarife verwiesen. »Die Abstimmung der Tarife im Nahverkehr mit Brandenburg ist dabei ein ständiges Thema dieser AG«, hieß es.

Bei der märkischen Volkssolidarität stieß die Entscheidung Berlins auf Unverständnis. Verbandsratschef Bernd Niederland warf dem Senat »geringe sozialpolitische Sensibilität« vor. Die Berliner Politik lege offensichtlich wenig Wert auf die Mobilität von Brandenburgern mit geringem Einkommen in der Metropolenregion. Die Landesvorsitzende des Arbeitslosenverbands, Inga-Karina Ackermann, sagte, es sei nicht nachzuvollziehen, dass denjenigen, die eine solche Hilfe am Nötigsten hätten, nicht geholfen werde. »Von einem verbilligten Tarif würden auch die Berliner mit geringen Einkommen profitieren, die nach Brandenburg kommen.«

Die Landtagsabgeordnete Anita Tack (LINKE), die sich für ein länderübergreifendes Sozialticket stark macht, verwies auf den weiter bestehenden Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Auch die Landesarmutskonferenz habe im Herbst 2017 ein länderübergreifendes Sozialticket gefordert. Sie gehe nicht davon aus, dass die Verhandlungen mit Berlin endgültig gescheitert sind, sagte Tack. »Das ist auf der politischen Ebene noch nicht ausverhandelt.« dpa

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